Menü

Bayerischer Verfassungsgerichtshof

Rechtsprechung im Überblick

In den ersten Jahren seines Bestehens war der Bayerische Verfassungsgerichtshof mit einer Vielzahl von Problemen befasst, die sich als Folge des Zusammenbruchs des NS-Regimes stellten. Dabei ging es z. B. um die Fortgeltung alten Rechts, um die Auswirkungen des Besatzungsrechts auf bayerisches Recht und um die Behandlung der Anhänger des Nationalsozialismus. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in den Anfangsjahren auch zu zahlreichen Rechtsfragen Stellung genommen, die noch heute für seine Rechtsprechung von Bedeutung sind. So hat der Verfassungsgerichtshof z. B. unter Bezugnahme auf seine Funktion als Hüter der Verfassung ausdrücklich klargestellt, dass er zur Wahrung der Rechte, die die Bayerische Verfassung gewährt, berufen ist, nicht aber zur Wahrung von Rechten, die in anderen Gesetzen begründet sind. Bei der Auslegung einzelner Verfassungsbestimmungen hatte er wiederholt darüber zu entscheiden, ob diese subjektive verfassungsmäßige Rechte gewährleisten, ob also eine Verfassungsbeschwerde hierauf gestützt werden kann. Stellung zu nehmen war z. B. ferner zu der Frage, inwieweit sich nichtbayerische Antragsteller an den Verfassungsgerichtshof wenden können. Klärungsbedürftig war bald auch der Prüfungsumfang des Verfassungsgerichtshofs bei Entscheidungen, die auf der Anwendung von Bundesrecht beruhen. Dabei ist klar, dass der Verfassungsgerichtshof das Bundesrecht selbst wegen seines höheren Rangs nicht am Maßstab der Bayerischen Verfassung messen kann. Nach der Gründung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1951 stellte sich die grundsätzliche Frage nach dem Verhältnis zwischen Landes- und Bundesverfassungsgerichtsbarkeit. 

Bei seinen heutigen Entscheidungen kann der Verfassungsgerichtshof häufig auf frühere Rechtsprechung zurückgreifen und Bezug nehmen. Hat sich die Rechtsprechung zu bestimmten Rechtsfragen – wie z. B. zum Prüfungsumfang des Verfassungsgerichtshofs bei gerichtlichen Entscheidungen, die auf Bundesrecht beruhen oder in einem bundesrechtlich geregelten Verfahren ergangen sind (s. dazu ausführlich Entscheidung vom 26.6.2013, VerfGHE 66, 94) – über Jahre hinweg gefestigt, so kann in neueren Entscheidungen auf die ständige Rechtsprechung verwiesen werden; umfangreiche Ausführungen zu den bereits geklärten Problemen erübrigen sich dann. 

Das bedeutet natürlich nicht, dass der Verfassungsgerichtshof keine wesentlich neuen Rechtsfragen mehr zu klären hätte. Das Gegenteil ist der Fall, auch deshalb, weil das Tätigkeitsfeld des Verfassungsgerichtshofs durch die zum 1. Sep­tember 2006 in Kraft getretene „Föderalismusreform“ erheblich erweitert wurde. Die unter diesem Stichwort bezeichneten Änderungen des Grundgesetzes überführten zum Beispiel das Recht des Strafvollzugs von der Gesetzgebungskompetenz des Bundes in diejenige der Länder. Zur Verfassungsmäßigkeit mehrerer Regelungen des auf dieser Grundlage erlassenen Bayerischen Strafvollzugsgesetzes vom 10. Dezember 2007 hatte der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 12. Mai 2009 (VerfGHE 62, 45) Stellung zu nehmen. Um einen Einblick in die Breite der Entscheidungsfelder des Verfassungsgerichtshofs zu ermöglichen, soll im Folgenden beispielhaft auf einige wichtige Themenbereiche kurz eingegangen werden.

Beispiele aus der Rechtsprechung

1. Organisationsrecht

a) In einer viel beachteten Entscheidung vom 17. September 1999 (VerfGHE 52, 104) hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt, dass die Abschaffung des Bayerischen Senats nicht den demokratischen Grundgedanken der Verfassung im Sinn des Art. 75 Abs. 1 Satz 2 BV widerspricht. Zwar stelle die Vertretung der sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und gemeindlichen Körperschaften des Landes im Senat eine substanzielle Ergänzung zur Volksrepräsentation durch den Landtag dar; seine Existenz sei jedoch für die freiheitliche und rechtsstaatliche Demokratie der bayerischen Verfassung nicht schlechthin prägend (vgl. auch Entscheidung vom 9.6.2015 VerfGHE 68, 107). 

b) Durch das Gerichtsauflösungsgesetz vom 25. Oktober 2004 wurden das Bayerische Oberste Landesgericht und die Staatsanwaltschaft bei diesem Gericht aufgelöst. Die gegen das Auflösungsgesetz erhobene Popularklage hatte keinen Erfolg. Der Verfassungsgerichtshof hat am 29. September 2005 (VerfGHE 58, 212) entschieden, dass die Auflösung des Bayerischen Obersten Landesgerichts und der Staatsanwaltschaft bei diesem Gericht mit der Bayerischen Verfassung vereinbar ist. Der Verfassungsgerichtshof habe nicht zu prüfen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste, vernünftigste oder beste Lösung gewählt habe. Gegenstand einer Normenkontrolle sei nur das angegriffene Gesetz selbst, nicht aber die Überprüfung von Vorgängen im Vorfeld eines Gesetzgebungsverfahrens. Das allein maßgebliche Gesetzgebungsverfahren beim Gerichtsauflösungsgesetz leide nicht unter verfassungsrechtlichen Mängeln. Die staatliche Justizgewährungspflicht sei nicht verletzt, da durch die Übertragung der Rechtsprechungsaufgaben des Obersten Landesgerichts auf die Oberlandesgerichte sichergestellt sei, dass diese Aufgaben auch weiterhin sachgerecht erfüllt würden. Wenn der Gesetzgeber die Stellung der rechtsprechenden Gewalt und die Pflicht zur Justizgewährung beachte, dann könnten auch rechtsprechungsexterne Gründe eine gerichtsorganisatorische Regelung rechtfertigen. Die Einsparung von Haushaltsmitteln in nicht vernachlässigbarem Umfang sei ein solcher sachlich rechtfertigender Grund. Dem Bürger werde durch das Gerichtsauflösungsgesetz der bestehende Rechtsschutz nicht entzogen; die Gewährung des Rechtsschutzes werde lediglich vom Obersten Landesgericht auf die Oberlandesgerichte verlagert.

2. Wahlrecht

Mit Fragen des Wahlrechts hatte sich der Verfassungsgerichtshof in den verschiedensten Verfahrensarten zu befassen. 

a) Dies betraf zum einen das kommunale Wahlrecht. 

aa) Gegenstand eines Popularklageverfahrens war z. B. die Regelung im Gemeindewahlrecht, die bestimmt, dass jede politische Partei und jede Wählergruppe für die Wahl der Gemeinderatsmitglieder nur jeweils einen Wahlvorschlag einreichen darf. Der Verfassungsgerichtshof hat diese Bestimmung für verfassungsgemäß erklärt (Entscheidung vom 7.3.1991 VerfGHE 44, 23). In der Folgezeit war dieser Themenkreis auch Gegenstand zahlreicher Verfassungsbeschwerden. Bei den sogenannten Tarnlistenentscheidungen ging es um die Gültigkeit von insgesamt 13 Gemeinderats- und Kreistagswahlen aus dem Jahr 1990 (vgl. z. B. Entscheidungen vom 28.1.1993 VerfGHE 46, 21; vom 18.3.1993 VerfGHE 46, 53; vom 8.4.1993 VerfGHE 46, 94; vom 29.4.1993 VerfGHE 46, 117; vom 30.7.1993 VerfGHE 46, 234). Zu prüfen war jeweils, ob die Wahlvorschlagsliste bestimmter Gruppierungen als eigenständiger Wahlvorschlag oder als unzulässige zweite Liste (sogenannte Tarnliste) einer anderen Partei oder Gruppierung zu bewerten war. 

bb) Weitere Popularklagen richteten sich gegen die Bestimmungen des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes, die vorsehen, dass neue Wahlvorschlagsträger eine bestimmte Anzahl von Unterstützungsunterschriften beibringen müssen, um zur Wahl zugelassen zu werden. Der Verfassungsgerichtshof hat diese Anforderungen als verfassungsrechtlich zulässig angesehen, da sie der übermäßigen Stimmenzersplitterung entgegenwirken und damit im Ergebnis zur Bildung klarer Mehrheitsverhältnisse beitragen, die die Funktionsfähigkeit des jeweiligen Vertretungsorgans sicherstellen (Entscheidungen vom 18.7.1995 VerfGHE 48, 61, und vom 15.2.1996 VerfGHE 49, 11). 

cc) Die im Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz enthaltene Höchstaltersgrenze für die Wählbarkeit zum berufsmäßigen ersten Bürgermeister oder zum Landrat hat der Verfassungsgerichtshof mit Blick auf das mit diesen Ämtern verbundene Aufgabenspektrum und die typischerweise im fortgeschrittenen Alter abnehmende Leistungsfähigkeit ebenfalls als verfassungskonform beurteilt (Entscheidung vom 19.12.2012 VerfGHE 65, 268). 

dd) Am 12. Juni 2013 hat der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass die Bestimmungen der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung, die EU-Ausländern die Teilnahme an kommunalen Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden erlauben, verfassungskonform sind (VerfGHE 66, 70). Dies war zweifelhaft, weil die Verfassung (Art. 7 Abs. 2 und Art. 12 Abs. 3 Satz 1 BV) ihrem Wortlaut nach nur den (deutschen) Staatsbürgern die Teilnahme an Wahlen, Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden sowie Volksbegehren und Volksentscheiden ermöglicht und anders als bezüglich des kommunalen Wahlrechts keine europa- oder bundesrechtlichen Vorschriften existieren, die EU-Ausländer insoweit Deutschen gleichstellen. 


b) Zum anderen hat auch das Landtagswahlrecht den Verfassungsgerichtshof wiederholt beschäftigt. 

aa) Am 10. Oktober 2001 (VerfGHE 54, 109) und am 20. Dezember 2001 (VerfGHE 54, 181) hat der Verfassungsgerichtshof über insgesamt 17 Verfahren zur Stimmkreiseinteilung für die Landtagswahlen entschieden. Durch eine Verfassungsänderung im Jahr 1998 war die Zahl der Abgeordneten des Bayerischen Landtags von 204 auf 180 verringert worden. Dies hatte zur Folge, dass Zahl und Zuschnitt der Stimmkreise neu geregelt werden mussten. Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung waren vor allem die Grundsätze der Wahlgleichheit und der Deckungsgleichheit maßgeblich, die in Art. 14 Abs. 1 BV normiert sind. Diese Grundsätze stehen zueinander in einem Spannungsverhältnis, das nicht ohne Brüche aufgelöst werden kann. Der Gesetzgeber hat deshalb bei der Einteilung der Stimmkreise einen relativ weiten Beurteilungsspielraum. Der Verfassungsgerichtshof hat diesen Spielraum zu achten; er hat nicht zu prüfen, ob der Gesetzgeber die bestmögliche und sachgerechteste Lösung getroffen hat. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze waren die angegriffenen Stimmkreiseinteilungen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Gleiches galt für die mit Wirkung vom 28. Oktober 2011 erfolgte Neueinteilung der Stimmkreise im Wahlkreis Oberfranken, die im Wege der Popularklage angegriffen worden ist (Entscheidung vom 4.10.2012 VerfGHE 65, 189). 

bb) In der zuletzt genannten Entscheidung hatte sich der Verfassungsgerichtshof darüber hinaus damit zu befassen, dass aufgrund der Bevölkerungsentwicklung gesetzlich bestimmt wurde, dass auf die Wahlkreise Oberpfalz und Oberfranken nur noch jeweils 16 statt wie bisher 17 Abgeordnetenmandate entfallen, während die Zahl der Abgeordneten für den Wahlkreis Oberbayern von 58 auf 60 erhöht wurde. Die Antragsteller hatten argumentiert, dadurch ergebe sich die Gefahr, dass eine Partei, die landesweit die gemäß Art. 14 Abs. 4 BV zum Einzug in den Landtag erforderlichen 5 % der abgegebenen Stimmen erhält, in den Wahlkreisen Oberpfalz und Oberfranken einen darüber hinausgehenden Stimmenanteil erreichen müsste, um auch in diesen Wahlkreisen ein Mandat zu erlangen. Der Verfassungsgerichtshof hat die Neuzuteilung der Abgeordnetenmandate auf die Wahlkreise nicht beanstandet. Der Grundsatz der Wahlgleichheit verlange eine bevölkerungsproportionale Verteilung der Mandate auf die Wahlkreise. Im Gegensatz zu den Antragstellern sah der Verfassungsgerichtshof die Gefahr einer über die Fünfprozentklausel hinausreichenden Sperrwirkung bei der vom Gesetzgeber vorgenommenen Neuverteilung als nicht gegeben an. 

cc) Zur Problematik typisierender Regelungen im Wahlrecht hat der Verfassungsgerichtshof in der Entscheidung vom 9. Juli 2002 (VerfGHE 55, 85) Stellung genommen. Die zugrunde liegende Popularklage richtete sich gegen Regelungen zur Landtagswahl und zu den Kommunalwahlen, die Personen vom Wahlrecht ausschließen, für eine Betreuung zur Besorgung aller Angelegenheiten angeordnet ist oder die aufgrund einer strafgerichtlichen Entscheidung in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind. Der Verfassungsgerichtshof hat diese Anknüpfung als verfassungsrechtlich zulässig angesehen, weil in diesen Fällen davon ausgegangen werden kann, dass den Betroffenen das für eine Wahlentscheidung gebotene Mindestmaß an Einsichts- und Wahlfähigkeit fehlt. 

Am 31. Oktober 2018 (Vf. 16-VII-17 – VerfGHE 71, 287) hat der Verfassungsgerichtshof eine erneute Popularklage zu diesem Thema als unzulässig abgewiesen, weil es sich um eine Wiederholung der früheren Klage handle und nicht dargetan sei, dass zwischenzeitlich ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder der allgemeinen Rechtsauffassung in Bezug auf die Rechte von Behinderten und ihre Umsetzung in der Gesellschaft dargetan sei.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht am 29. Januar 2019 (BVerfGE 151, 1) die bundesrechtlichen Wahlrechtsausschlüsse für Betreute in „allen“ Angelegenheiten und für wegen Schuldunfähigkeit untergebrachte Straftäter in der damals geltenden Fassung für mit dem Grundgesetz unvereinbar und teilweise nichtig erklärt hatte, wurden auf Bundesebene und in Bayern u. a. die beiden Wahlrechtsausschlüsse aufgehoben und Regelungen über die Grenzen zulässiger Assistenz bei der Ausübung des Wahlrechts geschaffen. Eine Popularklage gegen die außer Kraft getretenen Wahlrechtsausschlüsse in Bayern (Art. 2 Nrn. 2 und 3 LWG a. F. und Art. 2 Nrn. 2 und 3 GLKrWG a. F.) wies der Verfassungsgerichtshof am 7. Dezember 2021 (BayVBl 2022, 152) als unzulässig ab, weil nach der Gesetzesänderung das Rechtsschutzbedürfnis fehlte. Soweit der Antragsteller beanstandete, dass die Neuregelung unzureichend sei und eigene Vorschläge zu einem aus seiner Sicht besseren Wahlrecht machte, war nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs in der Popularklage ein Verfassungsverstoß nicht substanziiert darlegt.

dd) Die Landtagswahlen 1990, 2003, 2008 und 2013 waren Gegenstand von Wahlprüfungsverfahren beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Im Vordergrund standen dabei die Überprüfung des d'Hondt'schen Höchstzahlverfahrens (Entscheidungen vom 18.2.1992 VerfGHE 45, 12; vom 24.4.1992 VerfGHE 45, 54; vom 19.5.1992 VerfGHE 45, 85), die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen über die Aufbewahrung von Wahlbriefen und das Verbot rechtswidriger Wahlwerbung durch staatliche Stellen (Entscheidung vom 17.2.2005 VerfGHE 58, 56), das Erfordernis der geheimen Abstimmung bei der Aufstellung der Kandidaten für die Landtagswahl (Entscheidung vom 8.12.2009 VerfGHE 62, 229; Entscheidung vom 23.10.2014 VerfGHE 67, 263) sowie die Verteilung sämtlicher Sitze auf die Wahlvorschläge, auf die mindestens 5 % der Stimmen entfallen sind (Entscheidung vom 10.5.2010 VerfGHE 63, 51; Entscheidung vom 10.10.2014 VerfGHE 67,255). 

ee) Am 18. Juli 2006 (VerfGHE 59, 125) wurde die Sperrklausel des Art. 14 Abs. 4 BV überprüft. Dass Wahlvorschläge zur Landtagswahl, auf die nicht mindestens 5 % der insgesamt abgegebenen Stimmen entfallen, keinen Sitz im Landtag erhalten, verstößt nicht gegen den Grundsatz der Wahlgleichheit als höherrangige Norm der Bayerischen Verfassung. Zwar führt die 5 %-Sperrklausel zu einem unterschiedlichen Erfolgswert der abgegebenen Stimmen. Dies ist aber im Hinblick auf die angestrebte Sicherung der Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit des Parlaments gerechtfertigt.

ff) Am 24. Januar 2017 (VerfGHE 70, 16) hat der Verfassungsgerichtshof eine Popularklage abgewiesen, die das Ziel hatte, den Gesetzgeber zu verpflichten, ein „höchstpersönliches Elternwahlrecht zugunsten Kind“ einzuführen. Der Verfassungsgerichtshof wies in der Entscheidung darauf hin, dass er bereits am 5. November 2003 (VerfGHE 56, 141) festgestellt habe, dass sich aus den Normen der Bayerischen Verfassung keine Verpflichtung des Gesetzgebers ergebe, ein solches Elternwahlrecht einzuführen. Eine erneute Popularklage wäre deshalb nur dann zulässig gewesen, wenn seit dem Ergehen der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder der allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten wäre oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte oder neue, in der früheren Entscheidung noch nicht gewürdigte Tatsachen geltend gemacht worden wären, was nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs nicht der Fall war.

c) Gegenstand des Verfahrens Vf. 15-VII-16 waren einzelne Regelungen aus dem Wahlvorschlagsrecht der Parteien und Wählergruppen bei den Landtags-, Bezirkstags-, Gemeinde- und Landkreiswahlen. Die Antragstellerinnen und Antragsteller beanstandeten eine fehlende geschlechterparitätische Ausgestaltung dieser Bestimmungen. Der Verfassungsgerichtshof stellte in seiner Entscheidung vom 26. März 2018 (VerfGHE 71, 59) fest, die gesetzlichen Bestimmungen über die Aufstellung der Wahlkreislisten durch die jeweiligen Wahlvorschlagsträger für die Wahlen zum Landtag und zu den Bezirkstagen sowie über die Aufstellung der sich bewerbenden Personen für die Wahl der Gemeinderatsmitglieder und der Kreisräte seien dadurch geprägt, dass sie sowohl im Allgemeinen als auch geschlechtsspezifisch neutral gehalten seien. Durch diese rechtlich-formale Betrachtungsweise würden verfassungsmäßige Rechte weder der Kandidatinnen noch der Wählerinnen verletzt. Aus der Bayerischen Verfassung ergebe sich keine Pflicht des Gesetzgebers, die bisher geltenden wahlrechtlichen Bestimmungen um paritätische Vorgaben zu ergänzen, die darauf gerichtet seien, dass Parteien und Wählergruppen aus ihren Reihen in gleicher Anzahl Frauen und Männer als Kandidatinnen und Kandidaten auf ihren Wahlvorschlägen benennen und diese gleichermaßen auf "aussichtsreiche" Listenplätze setzen müssten.

d) In der Entscheidung vom 9. Oktober 2018 (VerfGHE 71, 261) befasste sich der Verfassungsgerichtshof mit Regelungen im Landeswahlgesetz, nach denen das aktive und passive Wahlrecht an eine (Haupt-)Wohnung bzw. an einen gewöhnlichen Aufenthalt in Bayern seit mindestens drei Monaten geknüpft ist. Der Verfassungsgerichtshof wies die Popularklage ab und erteilte damit dem Begehren, auch sog. „Auslandsbayern“ aus verfassungsrechtlichen Gründen das Wahlrecht zu gewähren, eine Absage. Zudem verneinte der Verfassungsgerichtshof – wie schon mehrfach zuvor – das Bestehen eines subjektiven, mit der Popularklage einklagbaren Rechts des einzelnen Bürgers darauf, dass der Landtag ein Gesetz über die bayerische Staatsangehörigkeit erlässt.

e) Am 28. Oktober 2019 (BayVBl 2020, 86) stellte der Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Überprüfung der Landtagswahl 2018 fest, dass Art. 14 Abs. 1 Satz 6 BV, der Überhang- und Ausgleichsmandate bei der Landtagswahl zulässt, nicht gegen das Homogenitätsprinzip des Art. 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG verstößt. Die Bestimmungen in Art. 44 Abs. 2 LWG, die den Anfall von Überhang- und Ausgleichsmandaten im Einzelnen regeln, sind mit dem Grundsatz der Wahlgleichheit vereinbar; eine unzulässige Missachtung des Regionalproporzes wird hierdurch nicht bewirkt. Auch die Beschränkung des Wahlvorschlagsrechts auf politische Parteien und sonstige organisierte Wählergruppen (Art. 23 LWG) beanstandete der Verfassungsgerichtshof nicht. Hierdurch wird die Bewerbung von Kandidaten vermieden, die über keine ernsthafte Unterstützung verfügen. Dabei handelt es sich um ein legitimes Anliegen des Gesetzgebers, das dem Schutz der Wähler und der Verhinderung übermäßiger Stimmenzersplitterung dient. Zudem befand der Verfassungsgerichtshof, dass das Landtagswahlrecht im Hinblick auf die Vergabe der Zweitstimmen keine unzulässige Parteienwahl vorsieht.

Am 1. Februar 2021 (BayVBl 2022, 445) bestätigte der Verfassungsgerichtshof – diesmal im Rahmen eines Popularklageverfahrens – erneut, dass die Regelung zu Überhang- und Ausgleichsmandaten in Art. 44 Abs. 2 LWG nicht gegen den Grundsatz der Wahlgleichheit (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV) verstößt. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass die Zuteilung von Landtagsmandaten auf der Grundlage sehr unterschiedlicher Stimmenzahlen erfolgen kann. In Art. 14 Abs. 1 Satz 6 BV kommt zum Ausdruck, dass der Verfassungsgeber Überhang- und Ausgleichsmandate als grundsätzlich mit dem von der Bayerischen Verfassung vorgegebenen Wahlsystem kompatibel erachtet. Dass dem Grundsatz der Wahlgleichheit mit anderen Gestaltungsmöglichkeiten offensichtlich besser Rechnung getragen werden könnte, lässt sich nicht feststellen. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, Überlegungen zur Perfektionierung des Landeswahlrechts wie ein Normgeber anzustellen.

f) Zu einem weiteren Antrag auf Entscheidung über die Gültigkeit der Landtagswahl 2018 wies der Verfassungsgerichtshof am 11. November 2019 (Vf. 46-III-19 – juris) darauf hin, dass der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs nach Art. 33 Satz 2, Art. 63 BV, Art. 48 VfGHG die Wahlprüfung durch den Landtag vorausgehen müsse. Im verfassungsgerichtlichen Verfahren würden Beanstandungen nur geprüft, wenn sie zuvor bereits gegenüber dem Landtag erhoben wurden.

g) Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 10. März 2020 (BayVBl 2021, 477) befasst sich mit der Zulässigkeit von sogenannten „Listenkreuzen“ bei der Landtagswahl. Da bei dieser Wahl auch die Zweitstimme grundsätzlich der Wahl einer bestimmten Person, nämlich des Wahlkreisbewerbers dient, sieht das Stimmzettelmuster keine Möglichkeit zum Ankreuzen einer Partei oder Wählergruppe, sondern nur der einzelnen Bewerber vor. Kreuzt ein Wähler auf dem Stimmzettel für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten gleichwohl ohne Kennzeichnung einer besonderen sich bewerbenden Person nur eine bestimmte Partei oder Wählergruppe an oder werden innerhalb einer Wahlkreisliste mehrere sich bewerbende Personen angekreuzt, wird nach Art. 40 Abs 2 LWG die Stimme der Wahlkreisliste der betreffenden Partei oder Wählergruppe zugerechnet. Der Verfassungsgerichtshof hat das gebilligt. Insbesondere dürfe der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums davon ausgehen, dass ein entsprechendes „Listenkreuz“ den Willen des Wählers erkennen lasse, dass die jeweilige Liste einer Partei oder Wählergruppe von der Stimmabgabe profitieren solle.

h) Bei einer weiteren Überprüfung der Landtagswahl 2018 (Entscheidung vom 3. Juli 2020 Vf. 53-III-19) beschäftigte sich der Verfassungsgerichtshof mit behaupteten Fehlern bei der Kandidatenaufstellung, welche der Landtagswahl vorausging, durch eine politische Partei. Der Verfassungsgerichtshof stellte klar, dass zwar die Aufstellung der Kandidaten für die Landtagswahl eine „Nahtstelle“ bildet zwischen den von den Parteien weitgehend autonom zu gestaltenden Angelegenheiten ihrer inneren Ordnung und dem auf die Staatsbürger bezogenen Wahlrecht. Das dabei angewandte Verfahren müsse daher demokratischen Grundanforderungen entsprechen. Allerdings werde die demokratische Grundlage einer Wahl nicht allein dadurch verfälscht, dass eine Partei bei der Kandidatenaufstellung parteiinterne Vorschriften nicht einhalte. Im konkreten Fall sah der Verfassungsgerichtshof keine auf die Landtagswahl 2018 durchgreifenden Fehler bei der Kandidatenaufstellung der Partei.

In einer weiteren Entscheidung vom 5. Juli 2022 (Vf. 57-III-19) zu Art. 44 Abs. 2 LWG befasste sich der Verfassungsgerichtshof mit der Verfassungskonformität der Norm unter dem Aspekt, ob diese zu einem verfassungsrechtlich unzulässigen sog. „negativen Stimmgewicht“ führen kann. Der Verfassungsgerichtshof entschied, dass die Regelung zu Überhang- und Ausgleichsmandaten den verfassungsrechtlich verbürgten Wahlgrundsätzen auch unter diesem Blickwinkel nicht widerspricht. Er wies insbesondere darauf hin, dass sich der Zugewinn oder Verlust von Erststimmen im Ergebnis nicht dahin auswirkt, dass der Wählerwille in sein Gegenteil verkehrt wird und erwartungswidrige Ergebnisse mit willkürlicher Wirkung eintreten. Soweit regional Disparitäten auftreten können, erschöpfen sich diese letztlich in einer – in der Entscheidung vom 1. Februar 2021 (BayVBl 2022, 445) bereits als verfassungsgemäß gebilligten – unterschiedlichen Gewichtung der Wählerstimmen in den einzelnen Wahlkreisen für die Zuteilung der Abgeordnetenmandate, je nachdem, ob und wieviele Überhang- und Ausgleichsmandate dort jeweils anfallen. Auch dass für die Landtagswahl 2018 zur Ermittlung der Sitzverteilung im Bayerischen Landtag das Berechnungsverfahren nach Hare/Niemeyer zur Anwendung kam, sah der Verfassungsgerichtshof als mit der Bayerischen Verfassung vereinbar an.


3. Volksbegehren und Volksentscheide

Anders als auf Bundesebene tritt im Freistaat Bayern nach Maßgabe der Verfassung die Volksgesetzgebung neben die Parlamentsgesetzgebung. Der Verfassungsgerichtshof hatte auf Vorlage des Innenministeriums gemäß Art. 67 BV i.V.m. Art. 64 Abs. 1 LWG mehrere Volksgesetzgebungsinitiativen auf ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit hin zu überprüfen. Dabei ging es sowohl um Volksbegehren, die auf eine so genannte einfache Gesetzgebung im Rahmen der Verfassung abzielten (s. im Folgenden zu a), als auch um solche, die auf eine Änderung des verfassungsrechtlichen Rahmens selbst gerichtet waren (s. im Folgenden zu b). Wurde ein Gesetz im Wege der Volksgesetzgebung beschlossen, stellt sich zudem die Frage, in welchem Verfahren Mängel des Gesetzgebungsverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden können (s. im Folgenden zu c). Schließlich hatte sich der Verfassungsgerichtshof mit der Frage zu befassen, ob ohne Änderung der Verfassung weitere plebiszitäre Mitwirkungsmöglichkeiten geschaffen werden können (s. im Folgenden zu d). 


a) Auf eine Änderung des so genannten einfachen Rechts zielten folgende Volksgesetzgebungsverfahren ab, deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Verfassungsgerichtshof auf Vorlage des Innenministeriums zu überprüfen hatte: 

aa) Am 27. März 1990 (VerfGHE 43, 35) hat der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass die Voraussetzungen für die Zulassung eines Volksbegehrens zum Abfallrecht („Das bessere Müllkonzept“) gegeben waren. Das Volksbegehren zum Abfallrecht hat den Verfassungsgerichtshof in der Folgezeit aber ein weiteres Mal beschäftigt; es war nämlich über die Gültigkeit der Durchführung des anschließenden Volksentscheids zu befinden (Entscheidung vom 19.1.1994 VerfGHE 47, 1). Die Antragsteller machten geltend, staatliche und kommunale Organe hätten die Bürger vor dem Volksentscheid in zahlreichen Fällen in unzulässiger Weise z. B. durch Aufrufe, Hinweise und Abstimmungsempfehlungen beeinflusst; das habe das Ergebnis des Volksentscheids verfälscht. Der Verfassungsgerichtshof hat die Anträge abgelehnt und dabei Grundsätze (Sachlichkeits- oder Objektivitätsgebot) herausgearbeitet, an denen Äußerungen und Maßnahmen staatlicher Stellen und kommunaler Organe im Volksgesetzgebungsverfahren zu messen sind. 

bb) Nach Art. 73 BV findet über den Staatshaushalt kein Volksentscheid statt. Über Inhalt und Umfang dieser wichtigen Einschränkung für die Volksgesetzgebung hatte der Verfassungsgerichtshof mehrfach zu entscheiden. 

Durch das Volksbegehren „Bessere Schule“ sollte vor allem die Klassenstärke auf höchstens 30 Schüler begrenzt werden. Wegen der damit verbundenen Kosten ging der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 17. November 1994 (VerfGHE 47, 276) von einem Verstoß gegen das durch Art. 73 BV geschützte Budgetrecht des Parlaments aus.

Das Volksbegehren „Für Bayern – Nein zum Transrapid“ war darauf gerichtet, dem Freistaat Bayern die finanzielle Beteiligung am Bau einer Transrapid-Schwebebahn zwischen München Hauptbahnhof und dem Flughafen München zu untersagen. Hierin sah der Verfassungsgerichtshof einen Akt der Haushaltsgesetzgebung, da sich das Volksbegehren faktisch gegen im Nachtragshaushalt 2008 enthaltene Haushaltsansätze richtete; mit Blick auf Art. 73 BV hielt der Verfassungsgerichtshof solche Volksbegehren für ausnahmslos unzulässig, und zwar unabhängig davon, ob das Gesetzesvorhaben Einsparungen oder Mehrausgaben zum Gegenstand hat (Entscheidung vom 4.4.2008 VerfGHE 61, 78). 

Anlass, den Umfang des Begriffs „Staatshaushalt“ zu bestimmen, gab auch das Volksbegehren „Grundrecht auf Bildung ernst nehmen – Studienbeiträge abschaffen!“, durch das gesetzlich festgeschrieben werden sollte, dass das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss studienbeitragsfrei ist. Der Verfassungsgerichtshof sah das Volksbegehren als zulässig an, da die Studienbeiträge nicht im Staatshaushalt, sondern in den Körperschaftshaushalten der Hochschulen vereinnahmt wurden (Entscheidung vom 22.10.2012 VerfGHE 65, 226). 

cc) Das Volksbegehren „Gerecht sparen, auch an der Spitze!“ sah u.a. die Unvereinbarkeit bestimmter Tätigkeiten mit einem Abgeordnetenmandat sowie eine Streichung der Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Landtagsabgeordneten vor. Der Verfassungsgerichtshof erkannte hierin einen Verstoß gegen den in der Verfassung geregelten Grundsatz der freien Wählbarkeit sowie gegen das Recht der Mitglieder des Landtags auf eine angemessene Vollalimentation (Entscheidung vom 6.5.2005 VerfGHE 58, 113).

dd) Da das Volk im Rahmen der Volksgesetzgebung als Landesgesetzgeber fungiert, kann es nur solche Gesetze erlassen, die in die Gesetzgebungskompetenz des Freistaats Bayern fallen. Hieran scheiterte das auf die Einführung eines Bayerischen Mindestlohngesetzes gerichtete Volksbegehren. Da der Bund insoweit von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz bereits erschöpfend Gebrauch gemacht hatte, durfte der Landesgesetzgeber nicht mehr tätig werden (Entscheidung vom 3.2.2009 VerfGHE 62, 1). Aus demselben Grund hat der Verfassungsgerichtshof ein Volksbegehren nicht zugelassen, das eine Legalisierung von Cannabis in Bayern zum Ziel hatte (Entscheidung vom 21. Januar 2016 VerfGHE 2016, 337). 

ee) Ziel eines Volksbegehrens zur Volksgesetzgebung war es u. a., neben dem Volksbegehren nach der Bayerischen Verfassung durch Änderung des Landeswahlgesetzes eine weitere Form eines dem Volk zustehenden Gesetzesinitiativrechts zu schaffen. Dies war nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs ohne Änderung der Verfassung nicht zulässig (Entscheidung vom 14.11.1994 VerfGHE 47, 265).

b) Die zuletzt genannte Entscheidung leitet zu der Frage über, ob und inwieweit auch eine Änderung der Bayerischen Verfassung im Wege der Volksgesetzgebung möglich ist. Auch mit verfassungsändernden Volksgesetzgebungsinitiativen hatte sich der Verfassungsgerichtshof wiederholt zu befassen.

aa) In der bereits erwähnten Entscheidung vom 17. September 1999 (VerfGHE 52, 104) zu einem auf die Abschaffung des Bayerischen Senats gerichteten Volksbegehren hat der Verfassungsgerichtshof daran festgehalten, dass die Verfassung auch im Wege der Volksgesetzgebung nach Art. 74 BV geändert werden kann; allerdings ist dabei wegen des erhöhten Bestandsschutzes, den die Verfassung genießt, ein Quorum erforderlich. Da die Verfassung eine solche Voraussetzung nicht ausdrücklich vorsieht, ist sie lückenhaft. Der Gesetzgeber hat diese planwidrige Unvollständigkeit des Verfassungstextes zwischenzeitlich durch eine Änderung des Landeswahlgesetzes geschlossen. In Art. 79 Abs. 1 LWG ist jetzt bestimmt, dass die Ja-Stimmen bei einem Volksentscheid, der eine Verfassungsänderung beinhaltet, mindestens 25 % der Stimmberechtigten entsprechen müssen. 

bb) Die Änderung der Bayerischen Verfassung betraf auch ein Volksbegehren über die Organisation des Verfassungsgerichtshofs und die Wahl der Verfassungsrichter; zugleich sollte ein Richterwahlausschuss für alle übrigen Richter eingeführt werden. Der Verfassungsgerichtshof hat hierin eine unzulässige Koppelung sachlich nicht zusammenhängender Materien gesehen und deshalb in der Entscheidung vom 24. Februar 2000 (VerfGHE 53, 23) angeordnet, dass im weiteren Volksgesetzgebungsverfahren die beiden verschiedenen Regelungsgegenstände getrennt behandelt werden mussten. In diesem Zusammenhang hat der Verfassungsgerichtshof auf einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hin noch entschieden, dass zeitlich unterschiedliche Eintragungsfristen für die beiden nunmehr getrennten Volksbegehren zulässig waren (Entscheidung vom 24.3.2000 VerfGHE 53, 35). Die Einführung eines Richterwahlausschusses haben die Initiatoren des Volksbegehrens sodann nicht weiterverfolgt. Das Volksbegehren zum Verfassungsgerichtshof scheiterte, weil es nicht von dem erforderlichen Zehntel der stimmberechtigten Bürger unterstützt wurde (Art. 74 Abs. 1 BV).

cc) Ein weiteres Volksbegehren zielte auf eine Änderung der geltenden Verfassungsbestimmungen zur Volksgesetzgebung ab, um den Anwendungsbereich der Volksgesetzgebung zu erweitern und die in der Verfassung vorgesehenen Hürden zu senken. U. a. sollten Volksbegehren auch dann zulässig sein, wenn sie auf den Gesamtbestand des Haushalts Einfluss nehmen; die Anforderungen an die Unterstützung von Volksbegehren durch die Bürger sollten herabgesetzt werden; schließlich war ein Volksinitiativrecht im Landtag geplant (Entscheidung vom 31.3.2000 VerfGHE 53, 42). Durch eine andere Volksgesetzgebungsinitiative sollten die Voraussetzungen für die Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden auf kommunaler Ebene ebenfalls reduziert werden (Entscheidung vom 13.4.2000 VerfGHE 53, 81). Der Verfassungsgerichtshof hat diese beiden Volksbegehren nicht zugelassen, weil sie mit den demokratischen Grundgedanken im Sinn des Art. 75 Abs. 1 Satz 2 BV nicht in Einklang standen.


c) Schließlich hatte sich der Verfassungsgerichtshof mit der Frage zu befassen, in welchem Verfahren durch Volksentscheid beschlossene Gesetze im Nachhinein auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin überprüft werden können. Allgemein steht nach Art. 98 Satz 4 BV und Art. 55 VfGHG jedermann das Recht zu, mit der so genannten Popularklage eine Norm des bayerischen Landesrechts vom Verfassungsgerichtshof am Maßstab der Verfassung überprüfen zu lassen, wenn er geltend machen kann, dass die angegriffene Norm ein in der Verfassung gewährleistetes Grundrecht verfassungswidrig einschränkt. In seiner Entscheidung vom 13. September 2011 (VerfGHE 64, 159) hat der Verfassungsgerichtshof aber entschieden, dass die Popularklage nicht statthaft ist, soweit der Antragsteller geltend macht, die Durchführung des Volksentscheids, der zu dem fraglichen Gesetz geführt hat, leide an grundrechtsverletzenden Fehlern. In diesem Fall geht das in Art. 80 LWG geregelte Verfahren für die Prüfung eines Volksentscheids vor. Danach ist zunächst eine Prüfung des Volksentscheids durch den Landtag herbeizuführen, gegen dessen Beschluss anschließend der Verfassungsgerichtshof angerufen werden kann.

d) Nicht um die Handhabung der in der Verfassung vorgesehenen plebiszitären Elemente, sondern um die Frage, ob durch ein sogenanntes einfaches Landesgesetz, also ohne Änderung der Verfassung selbst, eine neue Form der plebiszitären Mitwirkung geschaffen werden kann, ging es in der Entscheidung vom 21. November 2016. Der Landtag hatte eine Erweiterung des Landeswahlgesetzes (§ 88 a LWG) beschlossen, der zufolge das Volk auf übereinstimmenden Beschluss von Landtag und Staatsregierung hin zu Vorhaben des Staates mit landesweiter Bedeutung (z. B. Infrastrukturprojekten) unverbindlich befragt werden kann. Anders als beim Volksbegehren (über ein Landesgesetz) sollte also bei der Volksbefragung (von der die Gesetzgebung ausgenommen war) die Initiative nicht aus dem Volk heraus erfolgen, sondern von Landtag und Staatsregierung ausgehen. Der Verfassungsgerichtshof hat Art. 88 a LWG für verfassungswidrig und nichtig erklärt, da die Formen der Beteiligung des Volkes an der Staatswillensbildung in Art. 7 Abs. 2 BV (Grundrecht auf Teilhabe an der Staatsgewalt) dem Grundsatz nach abschließend aufgeführt sind; ohne Änderung der Verfassung können daher neue plebiszitäre Elemente nicht eingeführt werden.

e) Am 15. Februar 2017 (VerfGHE 70, 22) entschied der Verfassungsgerichtshof, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung des Volksbegehrens „Nein zu CETA!“ nicht gegeben seien. Ziel des Volksbegehrens war es, die Staatsregierung durch ein Gesetz zu verpflichten, im Bundesrat gegen die Ratifikation von CETA (ein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und deren Mitgliedstaaten mit Kanada) zu stimmen. Zwar war der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, dass ein Gesetz nach Art. 70 Abs. 4 Satz 2 BV grundsätzlich auch durch Volksbegehren und Volksentscheid herbeigeführt werden könne. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung aber zum einen klargestellt, dass die Staatsregierung nach Art. 70 Abs. 4 Satz 2 BV nur dann gebunden werden könne, wenn es sich um die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union durch ein Gesetz nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG handle, nicht aber bei anderen Zustimmungsgesetzen. Zum anderen hat er klargestellt, dass es insoweit entscheidend darauf ankomme, ob der Bund der Auffassung sei, dass es sich um ein solches Gesetz nach Art. 23 GG handle, nicht aber, ob das Landesverfassungsgericht davon ausgehe. Da der Bund im Hinblick auf CETA kein Gesetz nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG auf den Weg gebracht hatte, waren die Voraussetzungen für die Zulassung des Volksbegehrens nicht gegeben.

f) In seiner Entscheidung vom 17. Juli 2018 (VerfGHE 71, 161) verneinte der Verfassungsgerichtshof die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung des Volksbegehrens „Damit Bayern Heimat bleibt – Betonflut eindämmen“. Ziel des Begehrens war es, eine Begrenzung des Flächenverbrauchs in Bayern auf durchschnittlich 5 Hektar pro Tag ab dem Jahr 2020 zu erreichen. Der Verfassungsgerichtshof machte jedoch deutlich, dass der Gesetzentwurf gegen die verfassungsrechtliche Verpflichtung des (Volks-)Gesetzgebers verstoße, die wesentlichen Bestimmungen einer Sachmaterie selbst zu regeln. In dem Entwurf fehle es an den erforderlichen Vorgaben, nach denen die Staatsregierung als Verordnungsgeber des Landesentwicklungsprogramms die Aufteilung des zulässigen Flächenverbrauchs auf die einzelnen Planungsträger vorzunehmen hätte. Bei dieser Gelegenheit stellte der Verfassungsgerichtshof auch klar, dass die Überprüfung des einem Volksbegehren zugrunde liegenden Gesetzentwurfs anhand der Bayerischen Verfassung nicht auf eine Evidenzkontrolle beschränkt ist.

g) Am 16. Juli 2019 (Vf. 41-IX-19 – juris) befasste sich der Verfassungsgerichtshof mit dem Volksbegehren „Stoppt den Pflegenotstand an Bayerns Krankenhäusern“. Dieses zielte vor allem auf die Einführung bestimmter Qualitätsanforderungen und Regelungen zur Bemessung des Pflegepersonals für den Bereich der stationären Krankenhausbehandlung ab. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs waren die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung des Volksbegehrens nicht gegeben, weil dem Landesgesetzgeber nach Art. 72 Abs. 1 GG die Gesetzgebungskompetenz fehle; der Bund habe die Materie aufgrund seines konkurrierenden Gesetzgebungsrechts erschöpfend geregelt. Außerdem verletze eine im Gesetzentwurf des Volksbegehrens vorgesehene Regelung, wonach die Staatsregierung dem Landtag nach drei Jahren einen Gesetzentwurf vorzulegen habe, das durch Art. 71 BV gewährleistete Gesetzesinitiativrecht der Staatsregierung. Daneben sei die sich aus Art. 74 Abs. 2 i. V. m. Art. 7 Abs. 2 BV ergebende Abstimmungsfreiheit verletzt, weil in der Begründung des Volksbegehrens in einer für die Abstimmung relevanten Weise die geltende Rechtslage unzutreffend und unvollständig erläutert werde. Dieser Mangel könne durch das Nachschieben einer ergänzenden Begründung nicht geheilt werden.

h) Gegenstand einer Entscheidung vom 16. Juli 2020 (NVwZ 2020, 1429) war das Volksbegehren „#6 Jahre Mietenstopp“. Mit diesem sollte für 162 bayerische Gemeinden mit angespanntem Wohnungsmarkt ein weitgehendes, für sechs Jahre geltendes Verbot eingeführt werden, in laufenden Wohnungsmietverhältnissen die Miete zu erhöhen. Der Verfassungsgerichtshof teilte die vom Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration vertretene Auffassung, dass das Volksbegehren nicht zugelassen werden könne, weil dem Landesgesetzgeber nach Art. 72 Abs. 1 GG die Gesetzgebungskompetenz für die beabsichtigten Regelungen fehle. Die bereits vorhandenen bundesgesetzlichen Normen zum Mietrecht versperrten dem Land insoweit die Möglichkeit eigener Regelungen, wie sie der Gesetzentwurfs des Volksbegehrens enthielt. Das Bürgerliche Gesetzbuch enthalte ein ausdifferenziertes, umfassend angelegtes System zur Regulierung der Mietpreishöhe. Dazu dürfe sich der Landesgesetzgeber selbst dann nicht in Widerspruch setzen, wenn er die geltenden Regelungen für unzureichend erachte. Er sei ist nicht befugt, kompetenzgemäß getroffene Entscheidungen des Bundesgesetzgebers „nachzubessern“.

i) Eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 7. Juni 2023 (BayVBl 2023, 547) betraf das Volksbegehren „Radentscheid Bayern“. Dieses zielte auf den Erlass eines Bayerischen Radgesetzes sowie auf weitere Rechtsänderungen, um insbesondere den Radverkehr zu fördern und den Umweltverbund sowie den Fußverkehr zu stärken. Der Verfassungsgerichtshof entschied, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für seine Zulassung nicht vorlagen. Auch hier war die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern ausschlaggebend: Das geplante Bayerische Radgesetz sah in verschiedenen Vorschriften straßenverkehrsrechtliche Regelungen vor. Für diese fehlt dem Landesgesetzgeber aufgrund der Sperrwirkung des Bundesrechts, das insoweit im Straßenverkehrsgesetz (StVG) und der StraßenverkehrsOrdnung (StVO) abschließende Regelungen trifft, nach Art. 72 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die Gesetzgebungskompetenz. Auch eine teilweise Zulassung des Volksbegehrens mit dem Inhalt, der ohne die beabsichtigten kompetenzwidrigen Normen verblieben wäre, war nicht möglich: Das Anliegen des Volksbegehrens wäre ohne diese geplanten Bestimmungen in einem grundlegenden Baustein substanziell entwertet gewesen. Die verbleibenden Regelungen wären nicht vom „gemeinsamen Nenner“ gedeckt gewesen, den die Stimmberechtigten mit ihrer Unterzeichnung des ursprünglichen Entwurfs zum Ausdruck gebracht haben.



4. Untersuchungsausschüsse

a) Die Einsetzung und die Arbeit von Untersuchungsausschüssen im Bayerischen Landtag war wiederholt Gegenstand verfassungsgerichtlicher Verfahren. Mit dem sogenannten Amigo-Untersuchungsausschuss war der Verfassungsgerichtshof z. B. zweimal beschäftigt. Zunächst hatte er den Fragenkatalog, der der Einsetzung zu Grunde lag, im Einzelnen auf seine Zulässigkeit hin zu überprüfen (Entscheidung vom 19.4.1994 VerfGHE 47, 87). In einer weiteren Organstreitigkeit ging es darum, ob der Untersuchungsausschuss nach Beendigung der regulären Sitzungstätigkeit des Landtags im Juli 1994 bis zur Neuwahl des Landtags im Oktober 1994 fortzuführen war (Entscheidung vom 3.8.1994, VerfGHE 47 178). Antragsteller war jeweils die Opposition im Bayerischen Landtag. 

b) In einem Untersuchungsausschuss zur Aufklärung des Verhaltens einer Staatsministerin lehnte die Landtagsmehrheit die Gegenüberstellung zwischen einem Zeugen und der Betroffenen ab. Auf Antrag von SPD-Abgeordneten wurde am 10. Oktober 2006 (VerfGHE 59, 209) entschieden, dass hierdurch keine Minderheitenrechte verletzt sind. 

c) Am 17. November 2014 (VerfGHE 67, 291) hat der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass ein Einzelner, der sich durch die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt fühlt, Verfassungsbeschwerde erheben kann, ohne zuvor die Verwaltungsgerichte anzurufen. Die bloße Möglichkeit, dass durch die spätere Beweiserhebung des Untersuchungsausschusses in Grundrechte einzelner Bürger eingegriffen wird, kann jedoch nicht bereits der Einsetzung des Untersuchungsausschusses entgegengehalten werden; vielmehr ist den grundrechtlich geschützten Interessen Einzelner bei der Durchführung der Untersuchung Rechnung zu tragen. Bezieht sich der Untersuchungsauftrag auf ein Strafverfahren, so dürfen sich die Sachaufklärungsmaßnahmen des Ausschusses nicht auf die Rechtsprechungstätigkeit der Richter erstrecken.

5. Parlamentsrecht

In verfassungsgerichtlichen Verfahren im Bereich des Parlamentsrechts geht es zumeist um die Frage, ob die verfassungsmäßigen Rechte der Abgeordneten, oftmals vor allem der Abgeordneten der Oppositionsfraktionen, durch bestimmte Maßnahmen der Parlamentsorganisation oder der Staatsregierung verletzt sind. 

a) Gegenstand einer Organstreitigkeit war die Frage, ob Abgeordnete der Landtagsopposition bei der Behandlung des Schwangerenberatungs- und des Schwangerenhilfeergänzungsgesetzes im federführenden sozialpolitischen Ausschuss ausreichend Gelegenheit zur Äußerung hatten. Von den erhobenen Rügen hatten einzelne, die Beschränkungen der Rednerliste und der Redezeit betrafen, Erfolg. Insoweit hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt, dass das Rederecht der Abgeordneten verletzt wurde (Entscheidung vom 17.2.1998 VerfGHE 51, 34). 

b) Mehrere Organstreitverfahren betrafen die Frage, ob parlamentarische Anfragen an die Staatsregierung von dieser hinreichend beantwortet wurden. 

Die GRÜNEN haben in einem Verfahren beanstandet, dass ihre Schriftliche Anfrage zur Inanspruchnahme von Flugdiensten durch Mitglieder der Bayerischen Staatsregierung unvollständig beantwortet worden sei, und hatten damit Erfolg. Der Verfassungsgerichtshof hat am 17. Juli 2001 (VerfGHE 54, 62) entschieden, dass die Rechte der Abgeordneten aus Art. 13 Abs. 2 BV verletzt wurden. 

Gegenstand einer am 26. Juli 2006 (VerfGHE 59, 144) entschiedenen Organstreitigkeit war erneut die – zum Teil unzureichende – Beantwortung Schriftlicher Anfragen der GRÜNEN durch die Staatsregierung. Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Verfahren zum Umfang des parlamentarischen Fragerechts bei privatwirtschaftlicher Betätigung des Staates, bei der Vergabe von Fördermitteln und bei Geheimhaltungsinteressen Dritter Stellung genommen. 

In seiner Entscheidung vom 6. Juni 2011 (VerfGHE 64, 70) hat der Verfassungsgerichtshof dargelegt, dass im Hinblick auf Fragen, die den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Staatsregierung betreffen, also etwa die Willensbildung der Staatsregierung, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht, keine Antwortpflicht besteht. Allerdings waren die vom Fraktionsvorsitzenden der SPD im Bayerischen Landtag begehrten Auskünfte über von der Staatsregierung in Auftrag gegebene Meinungsumfragen (sog. „Resonanzstudien“) nicht diesem Bereich zuzurechnen; die Verweigerung der Antwort wurde daher beanstandet. 

Überwiegend erfolgreich war auch eine Rüge der GRÜNEN, die Staatsregierung habe eine Reihe Schriftlicher Anfragen zur Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz nicht hinreichend beantwortet. Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 20. März 2014 (VerfGHE 67, 13) enthält Klärungen zum Umfang und zu den Grenzen der Auskunftspflicht der Staatsregierung in diesem Bereich, gerade auch mit Blick auf den Geheimnisschutz. 

Um den Umfang der Auskunftspflicht der Staatsregierung bei parlamentarischen Anfragen ging es ferner in der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 22. Mai 2014 (VerfGHE 67, 153). Die Anfragen von Abgeordneten der SPD-Fraktion bezogen sich auf die Beschäftigung naher Verwandter im Rahmen des Abgeordnetenmandats durch Landtagsabgeordnete, die zugleich Mitglieder der Staatsregierung waren. Die Staatsregierung hat die Beantwortung mangels eigener Zuständigkeit bzw. Kenntnis der Fakten abgelehnt, da es nicht um Rechtsverhältnisse von Mitgliedern der Staatsregierung, sondern um solche von Mitgliedern des Landtags gehe. Dieser Argumentation ist der Verfassungsgerichtshof nicht gefolgt. Nach seiner Entscheidung können Verhaltensweisen von Kabinettsmitgliedern, die keinen direkten Bezug zum Aufgabenbereich und zur Tätigkeit eines Regierungsmitglieds aufweisen, unter bestimmten Voraussetzungen dennoch Gegenstand des parlamentarischen Fragerechts sein. Dies gilt z. B. dann, wenn sich aufgrund der öffentlichen Diskussion über dieses Verhalten Auswirkungen auf die Amtsführung ergeben können oder wenn die Eignung für das Amt wegen der Vorbildwirkung in der Öffentlichkeit infrage steht. 

Am 11. September 2014  hat der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass bei einer parlamentarischen Anfrage zu steuerlichen Verhältnissen von Privatpersonen in der Regel das Informationsinteresse des Abgeordneten das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen nicht überwiegt (VerfGHE 67, 216). Bei Vorliegen eines zwingenden öffentlichen Interesses kann aber im Einzelfall eine Antwortpflicht der Staatsregierung auch insoweit bestehen. 

c) Weitere Entscheidungen hatten sich mit der Frage der Zusammensetzung von Gremien des Bayerischen Landtags zu befassen. 

In einer Meinungsverschiedenheit (Art. 75 Abs. 3 BV) zwischen der Landtagsfraktion der GRÜNEN und der Landtagsfraktion der CSU hat der Verfassungsgerichtshof am 21. Februar 2002 (VerfGHE 55, 28) die Beschränkung der Mitgliederzahl des Parlamentarischen Kontrollgremiums auf fünf Personen wegen des Geheimschutzes für gerechtfertigt erklärt und die Berichtspflichten der Staatsregierung zum Einsatz technischer Mittel bei der Überwachung von Wohnungen gegenüber dem Parlament durch verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen Normen näher präzisiert. 

Ein von den Oppositionsfraktionen angestrengtes Organstreitverfahren betraf die Zusammensetzung der Ausschüsse des Bayerischen Landtags auf der Grundlage der Geschäftsordnung des Landtags sowie eines Beschlusses des Landtags. Danach sollte die CSU-Fraktion in allen Ausschüssen die Hälfte der Sitze erhalten, obwohl sie in der Vollversammlung des Landtags nur 92 von 187 Sitzen innehatte. Der Verfassungsgerichtshof hat am 26. November 2009 (VerfGHE 62, 208) entschieden, dass dem Grundsatz nach jeder Landtagsausschuss ein dem politischen Stärkeverhältnis der Fraktionen entsprechendes verkleinertes Abbild des Parlamentsplenums sein muss. Dieser Grundsatz der Spiegelbildlichkeit ist tangiert, wenn eine Fraktion, die weniger als die Hälfte der Gesamtsitze hat, in den Ausschüssen über die Hälfte der Sitze verfügt. Im Ergebnis wurde der die Sitzverteilung in den Ausschüssen regelnde Landtagsbeschluss dennoch nicht beanstandet, da der Verfassungsgerichtshof auf die Koalition aus CSU- und FDP-Fraktion abgestellt hat. Diese verfügte über 108 von 187 Sitzen (57,8 %), was durch die Anzahl der Ausschusssitze, die CSU und FDP gemeinsam zustanden (9 von 16, 12 von 20 bzw. 13 von 22) angemessen widergespiegelt wurde.

d) Am 26. Februar 2019  (NVwZ-RR 2019, 841) hat der Verfassungsgerichtshof den Antrag eines Abgeordneten sowie einer Fraktion des Bayerischen Landtags abgewiesen, der auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines Schreibens der damaligen Leiterin der Bayerischen Staatskanzlei und Staatsministerin für Bundesangelegenheiten und Sonderaufgaben gerichtet war. Auslöser war ein Dringlichkeitsantrag im Landtag. In diesem wurde die Staatsregierung aufgefordert, zu bestimmten Fragen Stellung zu nehmen, welche sich auf die – im Privatbereich angesiedelte – Funktion der Staatsministerin als Gesellschafterin oder Geschäftsführerin einer Firma bezogen. In der Begründung des Dringlichkeitsantrags, über den auch eine Zeitung berichtete, wurde u. a. auf Widersprüche in früheren Angaben der Ministerin verwiesen. Daraufhin richtete die Staatsministerin ein Schreiben an zwei Landtagsabgeordnete, in dem sie einem nach ihrer Meinung durch den Zeitungsartikel entstehenden falschen Eindruck entgegentrat und die Adressaten des Schreibens aufforderte, ihrer Darstellung widersprechende, aus ihrer Sicht unwahre Behauptungen künftig zu unterlassen. Gegenüber dem Verfassungsgerichtshof machten die Antragsteller geltend, durch dieses Schreiben würden die Abgeordnetenrechte aus Art. 13 Abs. 2 Satz 1, Art. 16 a Abs. 1 und 2 BV verletzt. Der Verfassungsgerichtshof teilte diese Auffassung nicht. Werde ein an sich der Privatsphäre zuzuordnendes Verhalten Gegenstand der öffentlichen politischen Auseinandersetzung im Landtag, sei eine Gegenäußerung des betroffenen Regierungsmitglieds auch und gerade in seiner amtlichen Funktion im Hinblick auf einen wirkungsgleichen Umgang der Repräsentanten der Gewalten im Staat grundsätzlich zulässig. Im Rahmen einer solchen Stellungnahme verböten sich unsachliche, diskriminierende oder diffamierende Äußerungen sowie dem Prinzip der Waffengleichheit und der gegenseitigen Rücksichtnahme widersprechender unangemessener Druck. Hier beinhalte die beanstandete Äußerung aber eine bloße Gegendarstellung.

e) Eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 11. August 2021 (BayVBl 2021, 734) befasst sich mit der Mitgliedschaft des Bayerischen Landtags in dem „Bayerischen Bündnis für Toleranz“. Im Rahmen einer Verfassungsstreitigkeit hatte eine Landtagsfraktion gerügt, diese Mitgliedschaft verletze insbesondere das staatliche Neutralitätsgebot und sei mit dem freien Mandat der Abgeordneten unvereinbar. Der Verfassungsgerichtshof wies den Antrag als unzulässig ab und stellte in diesem Zusammenhang u. a. klar, dass die Bayerische Verfassung nicht wertneutral, sondern von dem Willen getragen ist, dass die freiheitliche demokratische Grundordnung des Staates – unter Einsatz der Mittel der wehrhaften Demokratie – erhalten bleiben muss. In einer Öffentlichkeitsarbeit des Landtags, die dieses Ziel fördern will, kann kein Verstoß gegen die staatliche Neutralitätspflicht liegen. Auch die Toleranz, für die das streitgegenständliche Bündnis eintritt, stellt in Form des Toleranzgebots ein aus verschiedenen Artikeln der Bayerischen Verfassung abgeleitetes Verfassungsprinzip dar. Die vom Bayerischen Bündnis für Toleranz bekämpften Einstellungen, Haltungen oder Handlungen des Rassismus und des Antisemitismus sowie des Rechtsextremismus verstoßen gegen das Prinzip der Menschenwürde, welches das zentrale Element bzw. den obersten Grundwert der freiheitlichen demokratischen Grundordnung darstellt. Durch die Unterstützung einer Vereinigung, die sich für unabänderliche Grundwerte der Bayerischen Verfassung wie das Demokratieprinzip und die Menschenwürde einsetzt, denen alle Verfassungsorgane verpflichtet und die als solche jeder parteipolitischen Disposition entzogen sind, werden das freie Mandat von Abgeordneten oder Oppositionsrechte nicht verletzt.

f) Eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 28. September 2021 (BayVBl 2021, 843) betrifft insbesondere zwei Aspekte, die im Zuge der Coronapandemie relevant geworden waren. 

Zum einen hatte der Gesetzgeber in Art. 60 a des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes (GLKrWG) angeordnet, dass die am 29. März 2020 im Zuge der allgemeinen Gemeinde- und Landkreiswahlen erforderlich werdenden Stichwahlen ausschließlich als Briefwahlen durchgeführt werden sollten. Das hielt der Verfassungsgerichtshof für mit der Bayerischen Verfassung vereinbar. Angesichts der pandemiebedingten Ausnahmesituation dufte der Gesetzgeber die „Zwangsbriefwahl“ als einzig zulässige Form der Stimmabgabe als geeignet, erforderlich und auch verhältnismäßig ansehen, um trotz des pandemischen Geschehens eine möglichst hohe Wahlbeteiligung zur Stärkung des Grundsatzes der allgemeinen Wahl zu erreichen. Hierdurch wurden in der konkreten Situation die Grundsätze der freien und geheimen Wahl sowie der Öffentlichkeit der Wahl nicht verletzt. 

Zum anderen befasste sich der Verfassungsgerichtshof inzident mit der Frage, ob das Gesetz formell ordnungsgemäß zustande gekommen war. Nach Art. 23 Abs. 2 BV ist für die Beschlussfähigkeit des Landtags die Anwesenheit der Mehrheit seiner Mitglieder erforderlich. Wegen des Ansteckungsrisikos wurde aufgrund einer zwischen den Fraktionen einvernehmlich abgestimmten Verfahrensweise bei der Abstimmung über das Gesetz im Landtag am 25. März 2020 dieses Erfordernis nicht eingehalten. Das macht das Gesetz aber nicht nichtig, nachdem kein einziges Mitglied des Landtags diese Vorgehensweise gerügt hatte. Der Verfassungsgerichtshof hat in der Entscheidung klargestellt, dass Art. 23 Abs. 2 BV zwar die materiellen Voraussetzungen der Beschlussfähigkeit festlegt, aber nicht, wann, durch wen und in welchem Verfahren diese festgestellt wird oder bestritten werden darf. Die Ausgestaltung dieser erforderlichen verfahrensmäßigen Ergänzung überlässt die Bayerische Verfassung der Parlamentsautonomie. § 123 Abs. 1 BayLTGeschO, wonach die Beschlussfähigkeit angenommen wird, solange sie nicht von einem Mitglied des Landtags bezweifelt wird, ist verfassungsgemäß und gilt in der Regel auch bei eindeutigem Nichterreichen des Anwesenheitsquorums, ohne dass eine nachträgliche verfassungsgerichtliche Überprüfung eröffnet ist.

g) Mit Entscheidung vom 17. Januar 2023 (Vf. 3-IVa-21) hat sich der Verfassungsgerichtshof in einem Organstreitverfahren mit der Frage befasst, ob eine Äußerung der Präsidentin des Bayerischen Landtags im Rahmen einer Podiumsdiskussion die Rechte der antragstellenden AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag verletzte. Dabei war entscheidend, in welchem Verhältnis die Befugnis der Landtagspräsidentin, sich im Rahmen der ihr obliegenden Öffentlichkeitsarbeit zu äußern, zu ihrer Verpflichtung steht, bei der Amtsausübung politische Neutralität im Hinblick auf die Interessen der einzelnen Abgeordneten und Fraktionen zu wahren und ihr Amt unparteiisch zu führen. Die Landtagspräsidentin hatte sich als Gast einer Podiumsdiskussion, die im Rahmen der unter ihrer Schirmherrschaft stehenden Veranstaltungsreihe „Lange Nacht der Demokratie“ stattfand, zum Verhalten der AfD-Landtagsfraktion bzw. von deren Abgeordneten im Landtag geäußert. Sie hatte dabei insbesondere von einem „Muster“ der „Provokation und Abgrenzung“ gesprochen und von einem Vorfall berichtet, bei dem ein Vizepräsident des Landtags habe einschreiten müssen, als ein Abgeordneter „aus Protest gegen die Maskenpflicht mit einer Gasmaske“ aufgetaucht sei. Der Verfassungsgerichtshof entschied, dass zur Beurteilung einer etwaigen Verletzung der Neutralitätspflicht eine Abwägung der gegenläufigen verfassungsrechtlich geschützten Positionen vorzunehmen ist. Abzuwägen ist die Wahrnehmung der Aufgaben der Landtagspräsidentin einschließlich der zugehörigen Informations- und Öffentlichkeitsarbeit gegenüber dem Interesse der betroffenen Fraktion an unbeeinträchtigter Ausübung des freien Mandats und der Gewährleistung der Oppositionsrechte, dies einzelfallbezogen anhand der konkreten Gesamtumstände. Im Ergebnis hielt der Verfassungsgerichtshof die beanstandete Äußerung für verfassungsrechtlich zulässig. Sie beruhte auf einer sachlichen, tatsachengestützten Grundlage und wurde mit der gebotenen Sachlichkeit in die Debatte eingeführt. 


6. Medienrecht

a) Über medienrechtliche Fragen hatte der Verfassungsgerichtshof in den zurückliegenden Jahren des Öfteren zu entscheiden. Sowohl gegen Bestimmungen des Medienerprobungs- und -entwicklungsgesetzes wie auch des hieraus hervorgegangenen Bayerischen Mediengesetzes waren Popularklagen anhängig (Entscheidungen vom 5.7.1990 VerfGHE 43, 95; vom 11.6.1991 VerfGHE 44, 61; vom 3.2.1994 VerfGHE 47, 36). Um medienrechtliche Fragen ging es auch in mehreren Verfassungsbeschwerdeverfahren, wobei meist die Zulassung oder Nichtzulassung von privaten Rundfunk- oder Fernsehanbietern durch die Bayerische Landeszentrale für neue Medien und die Belegung der Kabelkanäle strittig waren (vgl. z. B. Entscheidungen vom VerfGHE 2.2.1990 VerfGHE 43, 21; vom 23.11.1990 VerfGHE 43, 170; vom 28.4.1992 VerfGHE 45, 80; vom 28.10.1992 VerfGHE 45, 149; vom 7.4.1992 VerfGHE 46, 89; vom 16.7.1993 VerfGHE 46, 191; vom 10.2.1995 VerfGHE 48, 6; vom 29.1.1998 VerfGHE 51, 27). Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang Art. 111 a BV, der – als bayerische Besonderheit – Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen) nur in öffentlicher Verantwortung und in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft zulässt (vgl. hierzu BVerfG DÖV 1998, 469). Am 30. Mai 2005 (VerfGHE 58, 137) hat der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass das Grundrecht auf Rundfunkfreiheit, das den privaten Anbietern von Rundfunkprogrammen zusteht, gegenüber dem Grundrechtsschutz aus Art. 111 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BV, den die Bayerische Landeszentrale für neue Medien als letztverantwortliche Trägerin des Rundfunks im Sinn des Bayerischen Mediengesetzes genießt, nicht nachrangig ist. Beide Rechtspositionen sind vielmehr einem möglichst schonenden Ausgleich zuzuführen. 

Dass die Landeszentrale für neue Medien als letztverantwortliche Trägerin des Rundfunks im Sinn des Bayerischen Mediengesetzes Trägerin des Grundrechts der Rundfunkfreiheit aus Art. 111 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BV ist und im Fall des Aufeinandertreffens mit Grundrechten Dritter ein Ausgleich im Weg der praktischen Konkordanz zu finden ist, hat der Verfassungsgerichtshof in einer Entscheidung vom 25. Februar 2021 (BayVBl 2021, 375) nochmals bestätigt.

b) Teilweise erfolgreich war eine Popularklage gegen verschiedene rundfunkrechtliche Regelungen, die Werbung für ein zugelassenes Volksbegehren und einen Volksentscheid verbieten. Der Verfassungsgerichtshof hat am 25. Mai 2007 (VerfGHE 60, 131) entschieden, dass dieses Verbot nicht mit der Rundfunkfreiheit (Art. 111 a Abs. 1 Satz 1 BV) vereinbar ist. Die Veranstalter von Rundfunk sind berechtigt, jedoch von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, Werbung für zugelassene Volksbegehren und für Volksentscheide in das Programm aufzunehmen. Eine entsprechende Verpflichtung ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung mit der nach geltendem Recht praktizierten Wahlwerbung. 

c) Durch den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag wurden zum 1. Januar 2013 die bis dahin erhobenen Rundfunkgebühren durch einen Rundfunkbeitrag ersetzt, der von Inhabern einer Wohnung oder einer Betriebsstätte zu entrichten ist, und zwar unabhängig davon, ob tatsächlich zum Rundfunkempfang geeignete Geräte vorhanden sind. Am 15. Mai 2014 (VerfGHE 67, 73) hat der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass dieses System der Rundfunkfinanzierung nicht gegen die Bayerische Verfassung verstößt. Er hat in dem Rundfunkbeitrag eine nichtsteuerliche Abgabe gesehen, weshalb die Länder zu ihrer Regelung im Rahmen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags befugt waren. Mit der Ausgestaltung der Beitragspflicht hält sich der Gesetzgeber im Rahmen des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums.


d) Am 17. Juli 2017 (VerfGHE 70, 137) entschied der Verfassungsgerichtshof über die Frage, ob Art. 2 Abs. 4 BayRG mit der Bayerischen Verfassung vereinbar ist. Die Vorschrift lässt den Austausch eines in digitaler Technik verbreiteten Hörfunkprogramms gegen ein in analoger Technik verbreitetes Hörfunkprogramm zu, wenn die Anzahl der analogen Hörfunkprogramme nicht vergrößert wird und dadurch insgesamt keine Mehrkosten entstehen. Hintergrund der Popularklage war ein Beschluss des Rundfunkrats vom 10. Juli 2014, wonach der Bayerische Rundfunk beabsichtigte, das bislang auch analog über UKW ausgestrahlte Hörfunkprogramm BR-Klassik ab dem Jahr 2018 nur noch digital zu verbreiten und stattdessen das bislang nur digital verbreitete Jugendprogramm PULS auch analog zu verbreiten. Der Verfassungsgerichtshof war der Auffassung, dass Art. 2 Abs. 4 BayRG mit der Bayerischen Verfassung vereinbar und ein unauflösbarer Widerspruch mit dem Rundfunkstaatsvertrag nicht ersichtlich sei. Der Bayerische Rundfunk erfülle seinen Grundversorgungsauftrag durch sämtliche von ihm verbreiteten zehn Hörfunkprogramme, unabhängig davon, ob ein Hörfunkprogramm terrestrisch analog oder digital verbreitet werde. Der geplante Austausch von BR-Klassik gegen das Programm PULS auf der UKW-Frequenz sei im Popularklageverfahren kein zulässiger Prüfungsgegenstand, weil der bloße Vollzug einer angegriffenen Norm nicht Gegenstand eines Popularklageverfahrens sein könne.

7. Kommunalrecht

a) Die Finanzausstattung der Kommunen war bereits mehrfach Gegenstand von Popularklageverfahren. In diesem Zusammenhang hat der Verfassungsgerichtshof aus dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden (Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV) abgeleitet, dass der Staat im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit verpflichtet ist, den Gemeinden eine finanzielle Mindestausstattung in dem Umfang zu gewährleisten, dass sie ihre Funktionen erfüllen können und ihre finanzielle Leistungsfähigkeit erhalten bleibt. Gleichzeitig hat er den weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers bei der Umsetzung dieser Verpflichtung betont. Ausgehend von diesen Grundsätzen wurde festgestellt, dass die Pauschalierung von Gastschulbeiträgen verfassungsgemäß ist (Entscheidung vom 18.4.1996 VerfGHE 49, 37). Das Selbstverwaltungsrecht verbietet es nämlich nicht, dass den Gemeinden im eigenen Wirkungskreis jedenfalls in begrenztem Umfang auch finanzielle Lasten auferlegt werden, die nicht ihren Einwohnern zugute kommen. Gegenstand weiterer Verfahren war der kommunale Finanzausgleich; auch insoweit hat der Verfassungsgerichtshof keine Veranlassung zur Beanstandung gesehen (Entscheidungen vom 27.2.1997 VerfGHE 50, 15; vom 12.1.1998 VerfGHE 51, 1). 

Eine weitere Popularklage zum kommunalen Finanzausgleich wurde von den Bezirken Schwaben und Oberbayern sowie 30 Landkreisen, 4 kreisfreien Städten und 232 kreisangehörigen Gemeinden eingereicht. Der Verfassungsgerichtshof hat am 28. November 2007 (VerfGHE 60, 184) entschieden, dass die Popularklage insoweit Erfolg hat, als die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 10 Abs. 1, Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV) prozedurale Absicherungen in dem der Entscheidung des Gesetzgebers über den Finanzausgleich zugrunde liegenden Verfahren voraussetzt. Das Fehlen solcher Verfahrensregeln führt zur Unvereinbarkeit des Finanzausgleichsgesetzes mit der Verfassung. Der Gesetzgeber hatte bis zum 31. Dezember 2009 die erforderlichen Verfahrensregeln zu schaffen. Soweit die Antragsteller gegen einzelne Rechtsvorschriften inhaltliche Rügen erhoben hatten, wurde die Popularklage abgewiesen. Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang klargestellt, dass der Anspruch der Kommunen auf Sicherstellung einer angemessenen Finanzausstattung von der finanziellen Leistungsfähigkeit des Staates abhängig ist. 

b) In mehreren Popularklageverfahren beschäftigte sich der Verfassungsgerichtshof mit kommunalen Vorschriften zum Bestattungsrecht. Die Verfassungsmäßigkeit privater Feuerbestattungsanlagen wurde bejaht (Entscheidung vom 4.7.1996 VerfGHE 49, 79). Dabei wies der Verfassungsgerichtshof u.a. darauf hin, dass das Selbstverwaltungsrecht grundsätzlich nicht vor privater Konkurrenz schützt. Eine gemeindliche Regelung, die die Aufbahrung in den Räumen privater Bestattungsunternehmen generell ausschloss, erwies sich als verfassungswidrig (Entscheidungen vom 19.4.2002 VerfGHE 55, 66, und vom 23.12.2004 VerfGHE 57, 175). Ferner wurden Bestimmungen z. B. über die Größe und das Gewicht von Särgen (Entscheidung vom 15.4.1994 VerfGHE 47, 77) auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin überprüft. Die in einer gemeindlichen Verordnung den Bestattern auferlegte Verpflichtung, vor einer Leichenüberführung nach auswärts auf einem gemeindlichen Friedhof vorzufahren, verstößt nicht gegen die Bayerische Verfassung (Entscheidung vom 11.7.2008 VerfGHE 61, 161). 

c) Bereits Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre war der Verfassungsgerichtshof mit einer Vielzahl von Verfahren zur gemeindlichen Gebietsreform befasst (vgl. z.B. Entscheidung vom 3.11.1983 VerfGHE 36, 173). Eine 1995 erhobene Popularklage gegen eine 1978 in Kraft getretene Verordnung zur Neugliederung von Gemeinden hat der Verfassungsgerichtshof abgewiesen. Diese Entscheidung vom 27.6.1997 stützt sich u. a. erstmals darauf, dass eine Popularklage wegen Verwirkung unzulässig sein kann (VerfGHE 50, 115). Auch die Entlassung einer Gemeinde aus einer Verwaltungsgemeinschaft war Gegenstand einer Popularklage (Entscheidung vom 30.7.1999 VerfGHE 52, 66). 

d) Ein weiteres Popularklageverfahren von großem öffentlichem Interesse betraf den kommunalen Bürgerentscheid. Der Verfassungsgerichtshof hat einige Bestimmungen des durch Volksentscheid vom 1. Oktober 1995 beschlossenen Gesetzes für verfassungswidrig erklärt. Nach seiner Auffassung verstößt die Sperrwirkung, die den Gemeindeorganen verbietet, nach Abgabe von einem Drittel der Begehrensunterschriften für den Zeitraum von zwei Monaten und nach Einreichung des Bürgerbegehrens bis zum Bürgerentscheid entgegenstehende Entscheidungen zu treffen, gegen das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht. Die Regelungen über die Sperrwirkung können die Verwaltungstätigkeit der Gemeinden und Landkreise in Teilgebieten zum Erliegen bringen. Dies steht im Widerspruch zum Selbstverwaltungsrecht, das die Funktionsfähigkeit der Kommunen gewährleistet. Das Fehlen eines Abstimmungs- oder Zustimmungsquorums und die dreijährige Bindung an einen Bürgerentscheid sind ebenfalls verfassungswidrig. Die vom Gesetzgeber getroffene Regelung, die eine extrem lange, durch keinerlei sachliche Ausnahmen gelockerte Bindungswirkung für den Bürgerentscheid mit einem Verzicht auf jegliches Beteiligungs- oder Zustimmungsquorum verbindet, überschreitet jedenfalls in der Kombination dieser beiden Elemente den dem Gesetzgeber bei der gebotenen Abwägung zustehenden Entscheidungsspielraum. Denn sie ermöglicht, dass bei beliebig geringer Beteiligung auch sehr kleine Minderheiten über die Geschicke der Gemeinde und des Landkreises bestimmen (Entscheidung vom 29.8.1997 VerfGHE 50, 181).

e) Eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 10. Juni 2021 (BayVBl 2021, 548) befasst sich mit der Einsetzung von Ausschüssen des Gemeinderats. Anlässlich der Coronapandemie hatte der Gesetzgeber eine Regelung getroffen (Art. 120 b Abs. 3 GO), wonach der Gemeinderat den Einsetzungszeitraum eines Ferienausschusses (der grundsätzlich alle Aufgaben erledigt, für die sonst der Gemeinderat oder ein beschließender Ausschuss zuständig ist), für das Jahr 2021 von sechs Wochen auf drei Monate erhöhen konnte. Für die Zeiträume des Jahres 2021, in denen er keinen Ferienausschuss einsetzte, sollte er für die Dauer von zunächst bis zu drei Monaten mit Verlängerungsmöglichkeit einen beschließenden Ausschuss mit den Befugnissen eines Ferienausschusses einsetzen können. Der Verfassungsgerichtshof hielt diese Regelung für mit dem Grundsatz der Wahlgleichheit (Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV) unvereinbar und nichtig. Der Grundsatz der Wahlgleichheit, der auch mit Blick auf die Mitwirkungsrechte der Gemeinderatsmitglieder zum Tragen kommt, obwohl der Gemeinderat kein Parlament, sondern ein Verwaltungsorgan ist, steht zwar der Bildung von – auch beschließenden – Ausschüssen unter Wahrung des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit nicht entgegen. Das gilt auch, wenn durch die proportionale Sitzzuteilung und die jeweilige Ausschussgröße kleinere Fraktionen oder fraktionslose Ratsmitglieder bei der Zuteilung der Ausschusssitze leer ausgehen. Die Übertragung von Befugnissen auf Ausschüsse darf jedoch nicht dazu führen, dass die dem Gemeinderat vorbehaltene Rolle als zentrale Führungsinstanz der Gemeinde angetastet wird. Das war hier der Fall, weil die Bestimmungen eine „Ersetzung“ des Gemeinderats durch beschließende Ausschüsse mit umfassenden Entscheidungsbefugnissen faktisch für das ganze Jahr 2021 ermöglichten und dies nicht an ausreichende einschränkende tatbestandliche Voraussetzungen geknüpft war.

f) Im Rahmen einer Entscheidung vom 14. Februar 2023 (BayVBl 2023, 298) befasste sich der Verfassungsgerichtshof damit, inwieweit Bestimmungen der Geschäftsord-nung eines Stadtrates mit der Popularklage angegriffen werden können, und ob sich Stadtratsmitglieder hinsichtlich ihrer Wortbeiträge in der Ratssitzung auf die allgemeinen Grundrechte berufen können. Er entschied, dass jedenfalls Ge-schäftsordnungsbestimmungen, die organinterne Vorgänge regeln (wie hier die Behandlung von Anträgen und Anfragen sowie die Möglichkeit, Stadtratsmitglie-dern in Sitzungen das Wort zu entziehen) kein tauglicher Gegenstand einer Popu-larklage sind. Derartige Bestimmungen entfalten keine Außenwirkung für den Bür-ger, sie stellen daher keine mit der Popularklage angreifbaren Rechtsvorschriften dar. Zudem stellte der Verfassungsgerichtshof fest, dass sich ein Mitglied eines Stadt- oder Gemeinderats im Zusammenhang mit Wortmeldungen im Rat nicht auf die allgemeinen Grundrechte – insbesondere nicht auf die Meinungsfreiheit (Art. 110 BV) – berufen kann. Denn der Rat ist kein Forum zur Äußerung und Verbrei-tung privater Meinungen, sondern ein Organ der Gemeinde. Ein Ratsmitglied, das sich in der Sitzung zu einem Tagesordnungspunkt zu Wort meldet, nimmt daher nicht seine in der Verfassung verbürgten Freiheitsrechte gegenüber dem Staat, sondern organschaftliche Befugnisse in Anspruch, die ihm als Teil eines Gemein-deorgans verliehen sind.



8. Baurecht

a) Gemeindliche Bebauungspläne sind des Öfteren Gegenstand verfassungsgerichtlicher Verfahren (vgl. z. B. Entscheidungen vom 27.6.2012 VerfGHE 65, 127, und vom 3.12.2013 VerfGHE 66, 187). Die Zulässigkeit einer Popularklage gegen einen Bebauungsplan setzt aber regelmäßig voraus, dass der Antragsteller seine Grundrechtsrügen in Bezug setzt zu den tragenden Erwägungen der Gemeinde, wie sie in der Begründung des Bebauungsplans oder anderweitig, vielfach insbesondere in Sitzungsunterlagen des kommunalen Beschlussgremiums, dokumentiert sind; es genügt nicht, dass der Antragsteller lediglich das Abwägungsergebnis beanstandet, indem er die Sach- und Rechtslage aus seiner Sicht darstellt und bewertet (Entscheidung vom 4.5.2012 VerfGHE 65, 73). 



Am 31. Mai 2006 (VerfGHE 59, 109) hat der Verfassungsgerichtshof einen Bebauungsplan wegen Verstoßes gegen das Willkürverbot (Art. 118 Abs. 1 BV) für nichtig erklärt, weil die Gemeinde bei der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB die sich aus Art. 141 Abs. 1 Satz 4 BV ergebenden Verpflichtungen in krasser Weise verkannt hatte. Die Nichtigkeit eines anderen Bebauungsplans ist festgestellt worden, weil die Belange des Denkmalschutzes in nicht mehr zu rechtfertigender Weise missachtet wurden (Entscheidung vom 22.7.2008 VerfGHE 61, 172). 


Am 5. Dezember 2019 (BayVBl 2020, 441) wies der Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Zusammenhang mit Abbrucharbeiten am Münchner Hauptbahnhof ab und stellte klar, dass sich aus der Bayerischen Verfassung eine grundrechtliche Handlungsverpflichtung zum Erlass eines Bebauungsplans nicht ergeben könne, weil ein Anspruch auf Aufstellung von Bauleitplänen nach Bundesrecht (§ 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB), das aufgrund seines höheren Rangs dem Landesverfassungsrecht vorgehe, ausgeschlossen sei. Zudem wies der Verfassungsgerichtshof darauf hin, dass es, wenn ein Bebauungsplanverfahren noch nicht abgeschlossen sei, an einer rechtlich existenten Norm fehle, die mit einer Popularklage angegriffen werden könnte. Außerdem könnten Normenkontrollverfahren nur Rechtsvorschriften und keine Einzelmaßnahmen zum Gegenstand haben.


Nach einer Entscheidung vom 30. November 2020 (BayVBl 2021, 155) ergibt sich aus dem Recht auf Eigentum (Art. 103 Abs. 1 BV) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV), dass grundstücksbezogene Regelungen eines Bebauungsplans keine unauflösbaren Widersprüche beinhalten dürfen. Auf dieser Grundlage stellte der Verfassungsgerichtshof die Unvereinbarkeit eines Bebauungs- und Grünordnungsplans mit der Bayerischen Verfassung fest, weil dessen textliche und zeichnerische Festsetzungen zur Ausgestaltung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf einem Grundstück widersprüchlich und damit nicht hinreichend bestimmt waren.


b) In einer Entscheidung vom 12. Mai 2004 (VerfGHE 57, 48) wurde die Mindestabstandsflächenregelung der Verordnung der Landeshauptstadt München über Mindestabstandsflächen, Höhenlagen von Gebäuden, Gestaltung von Dächern und von unbebauten Flächen bebauter Grundstücke in besonderen Siedlungsgebieten wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip für verfassungswidrig erklärt. Der Verfassungsgerichtshof bewertete die Mindestabstandsflächenregelung materiell als Regelung des Bauplanungsrechts, die sich damit nicht im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage der Bayerischen Bauordnung hielt, die lediglich zu bauordnungsrechtlichen Vorschriften ermächtigt. 

Um eine Mindestabstandsflächenregelung ging es auch in der Entscheidung vom 9. Mai 2016 (VerfGHE 69, 125). Nach dem Willen des Bundesgesetzgebers soll der sogenannte Außenbereich, der weder Gegenstand eines Bebauungsplans ist noch eine zusammenhängende Bebauung aufweist, von baulichen Anlagen grundsätzlich frei gehalten werden. Bestimmte Vorhaben, zu denen auch Windkraftanlagen gehören, sind jedoch im Außenbereich privilegiert zulässig, das heißt, sie dürfen errichtet werden, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die Erschließung gesichert ist. Die Länder durften allerdings bestimmen, dass diese Privilegierung nur gilt, wenn die Windkraftanlage einen Mindestabstand zu anderen zulässigen baulichen Anlagen einhält. Hiervon hat der bayerische Landesgesetzgeber Gebrauch gemacht und geregelt, dass Windkraftanlagen nur privilegiert zulässig sind, wenn sie einen Abstand vom Zehnfachen ihrer Höhe zu zulässig errichteten Wohngebäuden einhalten. Die Popularkläger argumentierten, so werde die bundesgesetzlich vorgesehene Privilegierung praktisch zunichte gemacht. Der Verfassungsgerichtshof hat die Abstandsvorschrift für verfassungsgemäß erachtet. 

c) Auch Bestimmungen der Bayerischen Bauordnung, wonach Garagen ohne Einhaltung von Abstandsflächen zur Grundstücksgrenze errichtet werden dürfen und vor Errichtung einer solchen Grenzgarage kein Baugenehmigungsverfahren stattfindet, waren Gegenstand der verfassungsrechtlichen Prüfung im Popularklageverfahren. Der Verfassungsgerichtshof hat diese Vorschriften nicht beanstandet. Weder verletzt die Möglichkeit der Errichtung einer Grenzgarage das Eigentumsgrundrecht des Nachbarn noch ist der Gesetzgeber verpflichtet, zum Schutz von Grundstücksnachbarn stets ein präventives Baugenehmigungsverfahren vorzuschreiben oder vom Bauherrn vor Ausführung des Vorhabens eine Benachrichtigung der Nachbarn zu verlangen (Entscheidung vom 15.12.2009 VerfGHE 62, 235).


9. Datenschutz

a) Auf Grund eines Antrags wegen Meinungsverschiedenheiten (Art. 75 Abs. 3 BV) hatte sich der Verfassungsgerichtshof mit Regelungen des Polizeiaufgabengesetzes zu befassen, in denen die Datenerhebung und Datenverarbeitung durch die Polizei geregelt sind (Entscheidung vom 19.10.1994 VerfGHE 47, 241). Er kam zu dem Ergebnis, dass die angegriffenen Regelungen das durch Art. 100, 101 BV gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht, das auch die informationelle Selbstbestimmung schützt, nicht unzulässig einschränken.

b) Einzelne Bestimmungen des Bayerischen Datenschutzgesetzes, insbesondere zu Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnissen des Landesbeauftragten für den Datenschutz, sowie Regelungen des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes waren Gegenstand eines Popularklageverfahrens. Der Gesetzgeber – so die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs – hat bei Regelungen über personenbezogene Datenerhebung und -verwertung Rechtsgüter der Allgemeinheit, wie z. B. die Sicherheit des Bürgers und des Staates, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Einzelnen, das auch die informationelle Selbstbestimmung umfasst, abzuwägen. Die Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof beschränkt sich darauf, festzustellen, ob der Gesetzgeber seinen Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum nach den Maßstäben der Verfassung in vertretbarer Weise gehandhabt hat. Die Anwendung dieser Grundsätze ergab keine Beanstandungen bei den angegriffenen Regelungen (Entscheidung vom 11.11.1997 VerfGHE 50, 226). 

c) In einer Meinungsverschiedenheit (Art. 75 Abs. 3 BV) zwischen der Landtagsfraktion der GRÜNEN und der Landtagsfraktion der CSU hat der Verfassungsgerichtshof am 28. März 2003 (VerfGHE 56, 28) entschieden, dass die Regelungen zur sog. Schleierfahndung in Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 des Polizeiaufgabengesetzes mit der Bayerischen Verfassung vereinbar sind. Der Verfassungsgerichtshof führte hierzu u. a. aus, dass die im Gesetz vorgesehene Identitätsfeststellung im Rahmen der Schleierfahndung legitimen Zwecken (Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze oder des unerlaubten Aufenthalts und Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität) diene. Der hiermit verbundene Eingriff in das Recht auf informelle Selbstbestimmung verstoße nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. 

d) In einem Verfassungsbeschwerdeverfahren hob der Verfassungsgerichtshof am 7. Februar 2006 (VerfGHE 59, 29) verwaltungsgerichtliche Entscheidungen auf, weil bei der Anwendung von Regelungen über die polizeiliche Durchsuchung mitgeführter Sachen im Rahmen der sog. Schleierfahndung die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für Eingriffe u. a. in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verkannt wurden. Art. 22 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Art. 21 Abs. 1 Nr. 3 und Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 PAG sind so auszulegen, dass die Polizei von der Eingriffsbefugnis nur im Fall einer erhöhten abstrakten Gefahr Gebrauch machen darf.

10. Naturschutz

a) Ein Popularklageverfahren wegen Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 BayNatSchG hat ergeben, dass das Tatbestandsmerkmal „Belebung des Landschaftsbilds“ nicht gegen den Grundsatz der Normenbestimmtheit verstößt, weil der Inhalt der Regelung im Rahmen der Gesetzesanwendung mit den herkömmlichen juristischen Auslegungsmethoden hinreichend konkretisiert werden kann (Entscheidung vom 22.11.1996 VerfGHE 49, 160). 

b) Die Verordnung über den Nationalpark Bayerischer Wald war bereits Gegenstand zweier Popularklagen. 

Die in der Verordnung enthaltenen Beschränkungen des Reitens und des Fahrens mit Pferdegespannen hat der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 30. Juni 1998 (VerfGHE 51, 94) als verfassungsgemäß erachtet. Gesichtspunkte des Natur- und Landschaftsschutzes rechtfertigen hier eine Einschränkung des Grundrechts auf Naturgenuss (Art. 141 Abs. 3 Satz 1 BV). 

Die durch eine Änderung der Verordnung 2007 erfolgte Ausweitung der Fläche im Nationalpark Bayerischer Wald, auf die der Mensch keinen Einfluss nimmt (Naturzone) hat der Verfassungsgerichtshof nicht beanstandet (Entscheidung vom 4. März 2009 VerfGHE 62, 30). Im Hinblick auf das öffentliche Interesse an der Entwicklung des Nationalparkgebiets zu einem möglichst naturnahen Lebensraum sind den Eigentümern der an den Nationalpark angrenzenden Wälder ein trotz der vorgesehenen Waldschutzmaßnahmen verbleibendes (Rest)Risiko eines Schädlingsbefalls und die zusätzliche Belastung durch eine erhöhte Aufmerksamkeit zumutbar. 

c) Zu überprüfen hatte der Verfassungsgerichtshof das in das Landesentwicklungsprogramm Bayern aufgenommene Ziel, im bestehenden Autobahnnetz die Lücke „A 94 München-Simbach-Pocking auf der Trassenführung über Dorfen“ wegen ihrer herausragenden Bedeutung zu schließen und Planung und Bau dieser Maßnahme zügig weiterzuführen; eine verfassungsrechtliche Beanstandung hat sich dabei nicht ergeben (Entscheidung vom 15.7.2002 VerfGHE 55, 98). 

d) Auch normgeberische Eingriffe in Landschaftsschutzgebiete waren Gegenstand von Popularklageverfahren. 

In seiner Entscheidung vom 13. September 2012 (VerfGHE 65, 152) hatte sich der Verfassungsgerichtshof mit der Verfassungsmäßigkeit einer Verordnung zu befassen, durch die Flächen aus einem Landschaftsschutzgebiet herausgenommen wurden. Der Verfassungsgerichtshof sah hierin keine Verletzung der Verfassung. Zwar bergen punktuelle Eingriffe in ein Landschaftsschutzgebiet ohne koordinierte Planung die Gefahr einer schleichenden Erosion des Schutzgebiets. Jedoch steht die Abgrenzung von Landschaftsschutzgebieten im weiten Ermessen des Verordnungsgebers, der grundsätzlich auch nicht daran gehindert ist, die Grenzen selbst dann enger zu ziehen, wenn die Voraussetzungen für die Unterschutzstellung noch fortbestehen. Angesichts der Größe der verbleibenden, unter Schutz gestellten Flächen war die Grenze noch nicht überschritten, von der an der Schutzzweck der Landschaftsschutzgebietsverordnung nicht mehr zu erreichen gewesen wäre. 

Auch Ausnahmen von einem Veränderungsverbot, durch welche auf bestimmten Konzentrationsflächen die Errichtung von Windkraftanlagen in mehreren Landschaftsschutzgebieten ermöglicht werden sollte, hat der Verfassungsgerichtshof nicht beanstandet (Entscheidung vom 27.9.2014 VerfGHE 66, 160). 

e) In seiner Entscheidung vom 27. Januar 2016 (VerfGHE 69, 24) 
hatte sich der Verfassungsgerichtshof mit einer Verfassungsbeschwerde der Pistenbetreiberin im Skigebiet „Garmisch-Classic“ zu befassen. Diese hatte die von ihr betriebenen Pisten für Skitourengeher gesperrt, woraufhin die von einem Skitourengeher angegangenen Verwaltungsgerichte dem Freistaat Bayern aufgegeben haben, die Beseitigung der Sperren anzuordnen. Den Verwaltungsgerichten zufolge blieben die Skipisten trotz der auf ihnen durchgeführten baulichen Maßnahmen Bestandteil der freien Natur, weshalb nach Art. 33 Nr. 1 des Bayerischen Naturschutzgesetzes Sperren daher nur errichtet werden dürften, wenn andernfalls die zulässige Nutzung des Grundstücks nicht unerheblich behindert oder eingeschränkt würde. Diese Voraussetzung sahen die Verwaltungsgerichte nicht als gegeben an. Nach Auffassung der Pistenbetreiberin verstoßen die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen gegen ihre Grundrechte auf Eigentum (Art. 103 Abs. 1 BV) und Handlungsfreiheit (Art. 101 BV). Der Verfassungsgerichtshof hat es jedoch nicht beanstandet, dass die Verwaltungsgerichte dem Recht der Tourengeher auf freies Betreten der Natur (Art. 141 Abs. 3 Satz 3 BV) den Vorrang gegeben haben.


f) Gegenstand des Verfahrens Vf. 4-VII-16 war die Aufhebung der Verordnung des Landratsamts Bamberg über den geschützten Landschaftsbestandteil „Der Hohe Buchene Wald im Ebracher Forst“. Durch eine frühere Verordnung waren etwa 775 ha große, nord-westlich des Marktes Ebrach gelegene gemeindefreie Waldflächen als geschützter Landschaftsbestandteil ausgewiesen worden. Die Regierung von Oberfranken hatte diese Verordnung aufgehoben. Die Antragsteller wandten sich gegen die Aufhebungsverordnung, weil diese in erheblichem Maß gegen höherrangiges Recht verstoße. Der Verfassungsgerichtshof hielt in seiner Entscheidung vom 19. März 2018 (VerfGHE 71, 46) die Popularklage aber bereits für unzulässig, u. a. weil die Auslegung und Anwendung der maßgeblichen bundesrechtlichen Vorschrift (hier § 29 BNatSchG) durch den Landesverordnungsgeber bereits in einem Normenkontrollverfahren vom Bundesverwaltungsgericht in der Sache geprüft und in ihrem Inhalt bestätigt worden war. Daher scheide eine dieselbe Frage betreffende Kontrolle des Verfassungsgerichtshofs von vornherein aus.

11. Beamtenrecht

a) Eine Popularklage gegen die Verlängerung der Arbeitszeit der Beamten auf 40 Stunden hatte keinen Erfolg (Entscheidung vom 24.7.1995 VerfGHE 48, 87). In diesem Zusammenhang hat der Verfassungsgerichtshof betont, dass dem Normgeber ein weiter Spielraum eingeräumt ist, um die Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse der Beamten den jeweiligen Erfordernissen und einer fortschreitenden Entwicklung anpassen zu können. Die unterschiedliche Behandlung im Vergleich zu den anderen Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst verletzt Art. 118 Abs. 1 BV nicht, weil die bestehenden Strukturunterschiede, insbesondere das öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis der Beamten, auch für das Arbeitszeitrecht bedeutsam sind. Ebenfalls erfolglos war eine Popularklage gegen die Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit der Beamten in einem altersabhängigen Stufenmodell auf bis zu 42 Wochenstunden. Der Verfassungsgerichtshof hat am 20. September 2005 (VerfGHE 58, 196) entschieden, dass diese Anhebung der wöchentlichen Arbeitszeit weder gegen den Gleichheitssatz, noch gegen das Willkürverbot oder die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums verstoße. 

b) Eine weitere Entscheidung befasste sich mit der Stellung der hauptamtlichen Lehrpersonen der Bayerischen Beamtenfachhochschule. Weder die Freiheit der Wissenschaft und Lehre (Art. 108 BV) noch der Gleichheitssatz (Art. 118 Abs. 1 BV) gebieten es danach, diese Lehrpersonen ebenso wie Professoren von der Anwendung der allgemeinen beamten- und laufbahnrechtlichen Vorschriften bezüglich Versetzung, Beurteilung und Besoldung auszunehmen (Entscheidung vom 8.1.1997 VerfGHE 50, 1). 

c) Durch das Gesetz zur Änderung beamten- und richterrechtlicher Vorschriften vom 22. Dezember 2000 (GVBl S. 925) wurde die bis dahin bestehende Möglichkeit, Altersteilzeit im Blockmodell und Antragsruhestand zu kombinieren, grundsätzlich ausgeschlossen, während die Kombination von Altersteilzeit im Teilzeitmodell mit Antragsruhestand weiterhin möglich blieb. Diese Differenzierung ist nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs nicht zu beanstanden, weil sie sich auf sachliche Gründe stützt (Entscheidung vom 9.9.2002 VerfGHE 55, 123). 

d) Gegenstand einer weiteren Popularklage war die Frage, ob Art. 32 a des Bayerischen Beamtengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. August 1998, der vorsah, dass Ämter mit leitender Funktion (Führungspositionen) zunächst nur im Beamtenverhältnis auf Zeit übertragen werden, gegen die Bayerische Verfassung verstößt. Von der Vorschrift erfasst waren vor allem die Ämter der Amtschefs, der Bereichsleiter und der Abteilungsleiter in den obersten Landesbehörden sowie die Leiter von Behörden, soweit sie in der Besoldungsordnung B eingestuft sind. Die Dauer der Amtsperiode betrug zunächst fünf Jahre. Mit Ablauf der ersten Amtsperiode konnte dem Beamten das Amt mit leitender Funktion für eine weitere Amtsperiode im Beamtenverhältnis auf Zeit übertragen werden. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat am 26. Oktober 2004 (VerfGHE 57, 129) entschieden, dass die angegriffene Vorschrift wegen Verstoßes gegen das durch Art. 95 Abs. 1 Satz 2 BV (Aufrechterhaltung des Berufsbeamtentums) gewährleistete Prinzip der Übertragung eines Amtes auf Lebenszeit nichtig ist. 

Nicht beanstandet hat der Verfassungsgerichtshof hingegen eine Nachfolgevorschrift, nämlich Art. 45 des Bayerischen Beamtengesetzes vom 29. Juli 2008, der im Unterschied zu Art. 32 a BayBG alter Fassung bestimmt, dass dem Beamten nach Ablauf der fünfjährigen Amtsperiode das Amt mit leitender Funktion auf Lebenszeit zu übertragen ist, wenn er im Rahmen der bisherigen Amtsführung den Anforderungen des Amtes in vollem Umfang gerecht geworden ist (Entscheidung vom 9.9.2014 VerfGHE 67, 193).

e) Eine Entscheidung vom 14. März 2019 (BayVBl 2019, 2151) befasste sich mit einer Popularklage gegen Art. 11 Abs. 2 BayRiStAG. Dieser sieht vor, dass Richter und Richterinnen, Staatsanwälte und Staatsanwältinnen sowie Landesanwälte und Landesanwältinnen in Verhandlungen sowie bei allen Amtshandlungen mit Außenkontakt keine sichtbaren religiös oder weltanschaulich geprägten Symbole oder Kleidungsstücke tragen dürfen, die Zweifel an ihrer Unabhängigkeit, Neutralität oder ausschließlichen Bindung an Recht und Gesetz hervorrufen können. Der Verfassungsgerichtshof war zwar der Auffassung, dass das Verbot in die durch Art. 107 Abs. 1 und 2 BV verbürgte Glaubens- und Gewissensfreiheit der betroffenen Amtsträger eingreife. Allerdings sei der Eingriff aufgrund einer Abwägung mit der negativen Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Prozessbeteiligten und der Pflicht des Staates zu weltanschaulich-religiöser Neutralität im Bereich der Justiz gerechtfertigt. Auch einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz und das Diskriminierungsverbot stellte der Verfassungsgerichtshof nicht fest.

12. Hochschulrecht

a) Nach dem damals geltenden Bayerischen Hochschulgesetz war für den zweiten und jeden weiteren Wechsel eines Studiengangs das Vorliegen eines wichtigen Grundes erforderlich. Eine hiergegen eingelegte Popularklage hatte keinen Erfolg; die Regelung war nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt, verstieß nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und war für den Studienbewerber zumutbar (Entscheidung vom 2.7.1997 VerfGHE 50, 129). 

b) Gegenstand einer Popularklage war eine Regelung in der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns, nach der die von einer medizinischen Fakultät einer ausländischen wissenschaftlichen Hochschule verliehene Bezeichnung „Professor“ mit einem auf die Herkunft hinweisenden Zusatz geführt werden muss. Die Popularklage hatte keinen Erfolg. Der Verfassungsgerichtshof bewertete die angegriffene Bestimmung als eine durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigte Regelung der Berufsausübung. Die Verpflichtung, den Titel „Professor“ mit einem Herkunftshinweis zu führen, diene der Information der Patienten über die Qualifikation des Arztes und sei den betroffenen Ärzten zumutbar (Entscheidung vom 4.6.2003 VerfGHE 56, 99). 

c) Die Verfassungsmäßigkeit von im Rahmen der Hochschulreform 2006 getroffenen Bestimmungen war Gegenstand der Entscheidung vom 7. Mai 2008 (VerfGHE 61, 103). Darin hat der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, dass Hochschulorgane, die Entscheidungen im Kernbereich der akademischen Angelegenheiten zu treffen haben, grundsätzlich mit einer Mehrheit von Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern besetzt sein müssen. Dass dem Hochschulrat nach den neuen gesetzlichen Bestimmungen zur Hälfte hochschulexterne Mitglieder angehören, wurde dennoch nicht beanstandet, da ihm in erster Linie Planungs-, Steuerungs-, Kontroll- und Entwicklungsaufgaben obliegen und er somit keine Aufgaben aus dem Kernbereich der akademischen Selbstverwaltung erfüllt. Auch die aufgrund der Wissenschaftsfreiheit (Art. 108 BV) verfassungsrechtlich gebotene Mitwirkung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der betroffenen Fakultät bei der Berufung von Professorinnen und Professoren hat der Verfassungsgerichtshof als gewahrt angesehen. 

d) Bis zur Änderung des Art. 71 BayHSchG durch das vom Landtag beschlossene, aber auf eine Volksgesetzgebungsinitiative zurückgehende Gesetz vom 7. Mai 2013 (GVBl S. 252; vgl. oben zu 3. a) bb) waren von den Studierenden Studienbeiträge zu erheben; dies stand mit der Verfassung in Einklang (Entscheidung vom 28.5.2009 VerfGHE 62, 79). 

e) Am 12. Juli 2013 (VerfGHE 66, 125) hat der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass es einen unzulässigen Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 101 BV) darstellt, wenn der Gesetzgeber über die zwingend vorgeschriebene individuelle Eignungsprüfung hinaus die Hochschulen dazu ermächtigt, allgemeine Höchstaltersgrenzen für die Aufnahme eines Kunststudiums zu bestimmen.


f) Am 19. Oktober 2017 (VerfGHE 70, 225) entschied der Verfassungsgerichtshof über eine Popularklage gegen hochschulrechtliche Regelungen, welche vorsehen, dass die Lehrbefugnis und die damit verbundene Bestellung als Privatdozent, Privatdozentin, außerplanmäßiger Professor und außerplanmäßige Professorin widerrufen werden kann, wenn der bzw. die Betreffende der Obliegenheit zur unentgeltlichen Lehrtätigkeit im Umfang von mindestens zwei Lehrveranstaltungsstunden im Studienjahr (sog. Titellehre) nicht nachkommt. Der Verfassungsgerichtshof kam zum Ergebnis, dass die in Art. 30 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 i. V. m. Art. 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayHSchPG geregelte Möglichkeit zum Widerruf mit der Bayerischen Verfassung vereinbar sei. Insbesondere sei die Berufsfreiheit (Art. 101 BV) nicht verletzt. Der Gesichtspunkt der sparsamen Verwaltung der Haushaltsmittel rechtfertige es, für diesbezügliche Lehrveranstaltungen keine Vergütung vorzusehen; die Belastung durch die unentgeltliche Titellehre sei den Privatdozenten zuzumuten. Ob die jeweilige Hochschule im Einzelfall die für die Titellehre maßgeblichen Vorschriften zutreffend auslege und anwende, sei vom Verfassungsgerichtshof im Popularklageverfahren nicht zu prüfen. Über die Frage, inwieweit einem Privatdozenten oder einem außerplanmäßigen Professor für seine Lehre eine Vergütung zustehe, sei gegebenenfalls von den dafür zuständigen Fachgerichten zu entscheiden. Auch einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 118 Abs. 1 BV) verneinte der Verfassungsgerichtshof, weil zwischen dem hauptberuflichen wissenschaftlichen und künstlerischen Personal und den Lehrbeauftragten einerseits sowie den Privatdozenten und den außerplanmäßigen Professoren andererseits Unterschiede bestünden, die nach Art und Gewicht eine verschiedenartige gesetzliche Regelung der Vergütung rechtfertigten.

13. Schulrecht

a) In einem durch die Öffentlichkeit und die Presse viel beachteten Popularklageverfahren hat der Verfassungsgerichtshof die Regelung des Art. 7 Abs. 3 BayEUG über die Anbringung von Kreuzen in jedem Klassenraum der Volksschule für verfassungsgemäß erklärt, da gleichzeitig eine Konfliktlösung für den Fall vorgesehen ist, dass dieser Anbringung widersprochen wird (Entscheidung vom 1.8.1997 VerfGHE 50, 156). Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, dass der Gesetzgeber mit dieser Konfliktlösung einen schonenden Ausgleich eröffnet hat, der den widerstreitenden Grundrechtspositionen gerecht wird. 

b) In einem Verfassungsbeschwerdeverfahren wandten sich die Beschwerdeführer aus Glaubens- und Gewissensgründen gegen die Schulpflicht ihrer minderjährigen Tochter. Sie machten geltend, die Schulpflicht verstoße gegen ihr elterliches Erziehungsrecht aus Art. 126 Abs. 1 BV i. V. m. Art. 107 Abs. 1 BV. Der Verfassungsgerichtshof wies die Verfassungsbeschwerde ab. Das in der Bayerischen Verfassung gewährleistete Erziehungsrecht der Eltern werde durch die allgemeine Schulpflicht in zulässiger Weise beschränkt. Das Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 107 Abs. 1 BV) schließe zwar das Recht der Eltern ein, ihrem Kind die von ihnen für richtig gehaltene religiöse oder weltanschauliche Erziehung zu vermitteln. Diesem Recht stehe jedoch der eigenständige Auftrag des Staates zur Schulerziehung (Art. 130 BV) gleichgeordnet gegenüber. Von Verfassungs wegen sei es grundsätzlich zulässig, dass die Erziehung in Schule und Elternhaus nach unterschiedlichen Wertvorstellungen durchgeführt wird. Dabei seien nach dem verfassungsrechtlichen Toleranzgebot (Art. 136 Abs. 1 BV) beim Unterricht an den Schulen die religiösen Empfindungen aller zu achten (Entscheidung vom 13.12.2002 VerfGHE 55, 189). 

c) Nach dem Amoklauf eines 19-jährigen Schülers in einem Erfurter Gymnasium wurden 2002 in das Bayerische Erziehungs- und Unterrichtsgesetz (BayEUG) Bestimmungen eingefügt, nach denen die früheren Erziehungsberechtigten volljähriger Schüler von der Schule über bestimmte Vorfälle, besonders schwerwiegende Ordnungsmaßnahmen (z.B. Ausschluss vom Unterricht, Entlassung von der Schule) oder auffallendes Absinken des Leistungsstandes, unterrichtet werden sollen (Art. 75 Abs. 1 Satz 2 und Art. 88 a BayEUG). Die hiergegen erhobene Popularklage hatte keinen Erfolg. Der Verfassungsgerichtshof hat am 30. September 2004 (VerfGHE 57, 113) entschieden, dass die angegriffenen Regelungen mit der Bayerischen Verfassung, vor allem dem in Art. 100, 101 BV enthaltenen Recht auf informationelle Selbstbestimmung, vereinbar sind. Die Einbeziehung der früheren Erziehungsberechtigten bedürfe wegen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aber der verfahrensmäßigen Absicherung (insbesondere der vorherigen Anhörung des betroffenen Schülers), um eine Unterrichtung in den Fällen zu verhindern, in denen sie nicht angebracht und damit unverhältnismäßig sei. Diese verfahrensrechtliche Sicherung könne den angegriffenen Vorschriften im Wege der Auslegung entnommen werden. 

d) In einem Popularklageverfahren gegen Art. 2 Abs. 1 des Schulwegkostenfreiheitsgesetzes hat der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass die Regelung, wonach die Kosten für die Beförderung zur Schule nur dann vom Aufgabenträger der Schule zu bezahlen sind, wenn der Schulweg mehr als drei Kilometer beträgt, nicht gegen die Bayerische Verfassung verstößt (Entscheidung vom 28.10.2004 VerfGHE 57, 156). 

e) Eine Popularklage gegen die Einführung des achtjährigen Gymnasiums (G 8) blieb ohne Erfolg. Nach der Entscheidung vom 17. Mai 2006 (VerfGHE 59, 63) steht dem elterlichen Erziehungsrecht im Bereich der Schule ein eigenständiger Erziehungsauftrag des Staates gegenüber. Bei der Ausgestaltung dieses Auftrags hat der Normgeber einen weiten Spielraum. Die Stundentafeln des G 8 enthalten keine Festlegungen, die die Grenzen des Zumutbaren übersteigen. Für Wiederholer einer Jahrgangsstufe, die in das G 8 wechseln müssen, gibt es ausreichende Härtefallregelungen. Die Einbeziehung der Schüler der sechsten Jahrgangsstufe, die ihre Ausbildung noch im neunjährigen Gymnasium begonnen haben, verstößt nicht gegen das im Rechtsstaatsprinzip enthaltene Rückwirkungsverbot. Das Entstehen eines doppelten Abiturientenjahrgangs muss als unvermeidliche Folge der Verkürzung der Schuldauer hingenommen werden. Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu überprüfen, wie die angegriffenen Rechtsnormen in der Praxis vollzogen werden. 

f) Nicht zu beanstanden ist nach einer Entscheidung vom 15. Januar 2007 (VerfGHE 60, 1) die schulrechtliche Regelung, wonach äußere Symbole und Kleidungsstücke, die eine religiöse oder weltanschauliche Überzeugung ausdrücken, von Lehrkräften im Unterricht nicht getragen werden dürfen, sofern die Symbole oder Kleidungsstücke auch als Ausdruck einer Haltung verstanden werden können, die mit den verfassungsrechtlichen Grundwerten und Bildungszielen der Verfassung einschließlich den christlich-abendländischen Bildungs- und Kulturwerten nicht vereinbar ist. Das Verbot greift in die durch Art. 107 Abs. 1 und 2 BV verbürgte Glaubens- und Religionsfreiheit der Lehrkräfte ein. Dieser Rechtsposition stehen die Grundrechte der Schüler und ihrer Eltern (Art. 107 Abs. 1, Art. 126 Abs. 1 BV) sowie der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag gegenüber. Der Gesetzgeber ist bei der Lösung dieses Spannungsverhältnisses davon ausgegangen, dass die glaubhafte Vermittlung der verfassungsrechtlichen Grundwerte und Bildungsziele durch das Tragen bestimmter äußerer Symbole und Kleidungsstücke gefährdet wird. Dieses Abwägungsergebnis ist verfassungsrechtlich auch unter dem Gesichtspunkt des staatlichen Neutralitätsgebots nicht zu beanstanden. Eine unzulässige Bevorzugung der christlichen Konfessionen ist nicht gegeben. 

g) Mehrere Popularklagen gegen eine zwischenzeitlich abgeschaffte Regelung im Bayerischen Schulfinanzierungsgesetz, wonach von den Schülern als Eigenbeteiligung für die Beschaffung von Schulbüchern je nach Schulart ein Büchergeld von 20 € oder 40 € erhoben wurde, hatten keinen Erfolg. Im Hinblick auf die unsichere Datenlage im Zeitpunkt des Gesetzeserlasses war der Gesetzgeber aber verpflichtet, die tatsächliche Entwicklung sorgfältig zu beobachten und nachträglichen Erkenntnissen, etwa zur Höhe der benötigten Mittel, in geeigneter Form Rechnung zu tragen. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 19. April 2007 (VerfGHE 60, 80) auch klargestellt, dass es nicht seine Aufgabe ist zu überprüfen, ob der Normgeber die bestmögliche, zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gewählt hat. Der Einwand, die Einführung des Büchergelds erscheine im Hinblick auf den mit der Erhebung verbundenen Verwaltungsaufwand nicht sinnvoll, kann daher im Popularklageverfahren keine Berücksichtigung finden.

h) Auch in seiner Entscheidung vom 19. Juli 2016 (VerfGHE 69, 207) befasste sich der Verfassungsgerichtshof mit Fragen der Schulfinanzierung, insbesondere im Zusammenhang mit inklusionsbedingtem Mehraufwand. Im Rahmen der Abweisung einer Popularklage stellte der Verfassungsgerichtshof klar, dass Art. 134 Abs. 1 und 2 BV zwar ein Grundrecht auf Errichtung und Betrieb von Privatschulen verbürge; damit sei zugleich eine Garantie der Privatschule als Institution verbunden, welche den Privatschulen eine ihrer Eigenart entsprechende Verwirklichung sichere. Bei der Ausgestaltung von gesetzlichen Regelungen über Art und Höhe finanzieller Leistungen für Privatschulen sei dem Gesetzgeber jedoch ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Aus Art. 134 BV folge kein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Gewährung staatlicher Finanzhilfe und schon gar kein Anspruch auf Leistung in bestimmter Höhe. Zur Hilfe sei der Staat nur verpflichtet, wenn anders das Ersatzschulwesen als von der Verfassung anerkannte und geförderte Einrichtung in seinem Bestand eindeutig nicht mehr gesichert wäre. Vor diesem Hintergrund verstoße es nicht gegen die Bayerische Verfassung, dass neben den pauschalierten Zuschüssen des Staates zur Finanzierung staatlich anerkannter Realschulen, Gymnasien und Schulen des Zweiten Bildungswegs (Art. 38 und 40 BaySchFG) inklusionsbedingter Mehraufwand nicht gesondert erstattet wird.

i) Anlässlich einer Popularklage gegen Art. 47 Abs. 1 und 3 BayEUG befasste sich der Verfassungsgerichtshof mit der Einführung des Islamischen Unterrichts im bayerischen Schulwesen. Durch ein am 1. August 2021 in Kraft getretenes Änderungsgesetz wurde Schülerinnen und Schülern, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, ab dem Schuljahr 2021/2022 die Wahlmöglichkeit eröffnet, entweder den Ethikunterricht oder den Islamischen Unterricht zu besuchen. Zuvor war für alle nicht am Religionsunterricht teilnehmenden Schülerinnen und Schüler (einheitlich) der Ethikunterricht Pflichtfach gewesen. Die Antragsteller machten Verstöße der Neuregelung unter anderem gegen das Grundrecht auf Religionsfreiheit und gegen das Verfassungsprinzip der weltanschaulichen Neutralität des Staates geltend. Sie betrachteten den vorgesehenen Islamischen Unterricht, vor allem mit Blick auf einen vorangegangenen Modellversuch sowie auf die Lehrpläne, als einen – nur mit einem anderen Namen versehenen – bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht. Der Verfassungsgerichtshof hat die Popularklage mit Entscheidung vom 28. Juni 2022 (BayVBl 2022, 625) als unzulässig abgewiesen, weil eine Grundrechtsverletzung nicht hinreichend dargelegt war. Insbesondere ist der Islamische Unterricht seiner gesetzlichen Konzeption nach nicht als konfessioneller Religionsunterricht, sondern als Alternative zum Ethikunterricht in Gestalt eines allgemeinen Werteunterrichts in Kombination mit Islamkunde einzuordnen. Der Bereich des Normvollzugs durch die Exekutive (etwa durch Lehrpläne) kann selbst dann nicht mit der Popularklage angegriffen werden, wenn die Rechtsvorschrift die Möglichkeit fehlerhafter oder missbräuchlicher Anwendung bietet; Annahmen über einen mutmaßlichen Verwaltungsvollzug, die weder im Gesetzeswortlaut noch in der Gesetzesbegründung eine Stütze fänden, sind nicht geeignet, einen Grundrechtsverstoß durch die angegriffene Norm selbst darzulegen.



14. Glücksspielrecht

a) Der zwischen den Bundesländern geschlossene und am 1. Juli 2012 in Kraft getretene Glücksspielstaatsvertrag sowie die zu seiner Ausführung erlassenen landesgesetzlichen Bestimmungen haben den Verfassungsgerichtshof mehrfach beschäftigt. a) Danach bedürfen Errichtung und Betrieb einer Spielhalle zusätzlich zur gewerberechtlichen einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis; zwischen Spielhallen ist ein Mindestabstand von 250 m Luftlinie einzuhalten; eine Spielhalle darf nicht im baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen stehen. Diese Bestimmungen hat der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 28. Juni 2013 (VerfGHE 66, 101) ebenso wenig beanstandet wie die Übergangsregelungen für bereits bestehende Spielhallen. Der Verfassungsgerichtshof hat in dieser Entscheidung betont, dass der Gesetzgeber mit der von ihm beabsichtigten Verhinderung und Bekämpfung der Glücksspielsucht ein besonders wichtiges Gemeinwohlziel verfolgt. 

b) Vor allem die Fragen, ob die Länder befugt waren, den Glücksspielstaatsvertrag in der gegebenen Form zu schließen, und ob die im Glücksspielstaatsvertrag geregelten Kompetenzen verfassungsgemäß sind, waren Gegenstand der auf eine Popularklage hin ergangenen Entscheidung vom 25. September 2015 (VerfGHE 68, 198). Der Verfassungsgerichtshof hat die Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrags insoweit beanstandet, als sie vorsehen, dass die im Vertrag bestimmte Zahl der zu vergebenden Konzessionen für Sportwetten durch Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz geändert werden kann, und dass das aus Vertretern der Länder bestehende Glücksspielkollegium die Werbung für Glücksspiel durch eine Werberichtlinie regeln soll. Der Verfassungsgerichtshof hat ausgeführt, dass die auf diese Art und Weise gesetzten Rechtsnormen keinem einzelnen Land zuzurechnen wären, sodass kein einzelnes Land – etwa in einem verfassungsgerichtlichen Verfahren – für sie einzustehen hätte. Der Zustimmungsbeschluss, mit dem der Bayerische Landtag den Glücksspielstaatsvertrag in bayerisches Landesrecht transformiert hat, verstieß also insoweit gegen das Rechtsstaatsprinzip der Bayerischen Verfassung (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV). Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof die angegriffenen Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrags für verfassungsgemäß erachtet; so verlange etwa das Demokratieprinzip (Art. 2 BV) nicht, dass ein Staatsvertrag noch innerhalb der laufenden Legislaturperiode oder sogleich nach dem Zusammentritt eines neu gewählten Landtags kündbar sein müsse. 

c) Schließlich hat der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 23. November 2016 eine Popularklage gegen im Glücksspielstaatsvertrag enthaltene Bestimmungen zu Pferdewetten (v. a. Erfordernis einer inländischen Erlaubnis für die Vermittlung von Pferdewetten und grundsätzliches Verbot der Veranstaltung und Vermittlung von Pferdewetten im Internet) abgewiesen, die Bestimmungen also für verfassungskonform erachtet.

d) In seiner Entscheidung vom 29. Juni 2018 (VerfGHE 71, 138) wies der Verfassungsgerichtshof zwei Popularklagen gegen glücksspielrechtliche Regelungen teilweise wegen Unzulässigkeit ab, weil es sich insoweit um die Wiederholung bereits entschiedener Normenkontrollanträge handelte. Im Übrigen erachtete er u. a. die Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag sowie im Ausführungsgesetz zu diesem Vertrag, wonach zwischen Spielhallen ein Mindestabstand von 500 Metern Luftlinie einzuhalten ist und für Spielhallen Sperrzeiten gelten, als mit der Bayerischen Verfassung vereinbar.

15. Schutz der Sonn- und Feiertage

Gemäß Art. 147 BV bleiben die Sonntage und staatlich anerkannten Feiertage als Tage der seelischen Erhebung und der Arbeitsruhe gesetzlich geschützt. Vor diesem Hintergrund hatte sich der Verfassungsgerichtshof mit Regelungen zu befassen, welche den Betrieb von Geschäften an Sonn- und Feiertagen gestatten. 

Der Entscheidung vom 21. Dezember 2011 (VerfGHE 64, 224) lag die Rechtsverordnung einer Gemeinde zugrunde, wonach anlässlich von Jahrmärkten die Verkaufsstellen im Gemeindegebiet an vier genau bezeichneten Sonntagen im Jahr 2011 von 13:00 Uhr bis 18:00 Uhr geöffnet sein durften. Der Verfassungsgerichtshof hat ausgeführt, dass der Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe nach der Bayerischen Verfassung nicht über das durch das Grundgesetz (Art. 140 GG in Verbindung mit dem dort in Bezug genommenen Art. 139 der Weimarer Reichsverfassung) garantierte Mindestmaß hinausgeht. Eine Rechtsverordnung, die sich (wie im zu beurteilenden Fall) im Rahmen der bundesrechtlichen Ermächtigung des Ladenschlussgesetzes (§ 14 LadSchlG) hält, kann im Regelfall nicht gegen Art. 147 BV verstoßen. 

Auch die Bestimmungen des Feiertagsgesetzes (Art. 2 Abs. 3 Nr. 5 FTG) und der Bedürfnisgewerbeverordnung (§ 1 Abs. 1 Nr. 11 BedV), die den Betrieb von Autowaschanlagen an den meisten Sonn- und Feiertagen ab 12:00 Uhr zulassen, hat der Verfassungsgerichtshof nicht beanstandet. In seiner Entscheidung vom 27. Februar 2012 (VerfGHE 65, 44) hat der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Sonn- und Feiertagsschutzes ein weiter Spielraum zukommt, innerhalb dessen er zahlreiche Gesichtspunkte und Interessen gegeneinander abzuwägen und gegenläufige Schutzgüter auszugleichen hat. Allerdings gibt Art. 147 BV für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen ein Regel-Ausnahme-Verhältnis vor; grundsätzlich hat die „werktägliche Geschäftigkeit“ an Sonn- und Feiertagen zu ruhen. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs schränken die angegriffenen Bestimmungen, die durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt waren, den gesetzlichen Schutz der Sonn- und Feiertage unter Wahrung dieses Regel-Ausnahme-Gebots nur geringfügig ein.

16. Rettungswesen

Das Bayerische Rettungsdienstgesetz sah vor, dass die Zweckverbände für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung grundsätzlich nur das Bayerische Rote Kreuz, den Arbeiter-Samariter-Bund, den Malteser-Hilfsdienst, die Johanniter-Unfallhilfe oder vergleichbare Hilfsorganisationen mit der bodengebundenen Durchführung von Notfallrettung, arztbegleitetem Patiententransport und Krankentransport beauftragen; nur soweit die Hilfsorganisationen zur Übernahme des Auftrags nicht bereit oder in der Lage waren, sollte die Beauftragung anderer Leistungserbringer infrage kommen. Der Verfassungsgerichtshof hat hierin einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 101 BV) gesehen, da das Gesetzesziel einer flächendeckenden, effektiven und wirtschaftlichen Versorgung mit rettungsdienstlichen Leistungen auch erreicht werden kann, wenn Dritte neben Hilfsorganisationen gleichrangig in das Auswahlverfahren einbezogen werden (Entscheidung vom 24.5.2012 VerfGHE 65, 88).

17. Strafvollzug

Wie eingangs erwähnt, hat die zum 1. September 2006 in Kraft getretene „Föderalismusreform“ die Gesetzgebungskompetenzen der Länder und damit auch die Gerichtsbarkeit des Verfassungsgerichtshofs erweitert. Das gilt zum Beispiel für den Strafvollzug, der in Bayern durch das Bayerische Strafvollzugsgesetz vom 10. Dezember 2007 (GVBl S. 866) geregelt wurde. Eine Reihe von Bestimmungen dieses Gesetzes wurde bereits im Weg der Popularklage zur verfassungsrechtlichen Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof gestellt. 

In seiner Entscheidung vom 12. Mai 2009 (VerfGHE 62, 45) hat der Verfassungsgerichtshof vor allem folgende Regelungen des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes für verfassungsgemäß erachtet: besondere Vorschriften für vollzugsöffnende Maßnahmen bei Gewalt- und Sexualstraftätern (Art. 15 BayStVollzG); die unter bestimmten Bedingungen zulässige Gemeinschaftsunterbringung von Gefangenen (Art. 20 BayStVollzG); die Beschränkung von Ferngesprächen auf dringende Fälle (Art. 35 BayStVollzG); den Ausschluss des Empfangs von Paketen mit Nahrungs- und Genussmitteln (Art. 36 Abs. 1 Satz 3 BayStVollzG); die Möglichkeit, Gefangene an den Kosten ihrer Krankenbehandlung zu beteiligen (Art. 63 Abs. 2 BayStVollzG). 

Auch die Bestimmungen über die Entlohnung der Gefangenen für geleistete Arbeit (Art. 46 BayStVollzG) hielten einer verfassungsrechtlichen Prüfung stand (Entscheidung vom 9.8.2010 VerfGHE 63, 133), ebenso eine Regelung (Art. 53 Satz 1 BayStVollzG) zur Einzahlung von sog. (unpfändbarem) „Sondergeld“ für Gefangene durch Dritte (Entscheidung vom 24.9.2018 – VerfGHE 71, 246).

18. Rauchverbot

Mehrere Entscheidungen in den Jahren 2010 bis 2012 haben sich mit den wechselnden gesetzlichen Bestimmungen des Gesundheitsschutzgesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens befasst (Entscheidungen vom 25.6.2010 VerfGHE 63, 83; vom 4.11.2010 VerfGHE 63, 188; vom 14.4.2011 VerfGHE 64, 39; vom 13.9.2011 VerfGHE 64, 159; vom 31.1.2012 VerfGH 65, 22; vom 13.3.2012 VerfGHE 65, 61). Dabei hat der Verfassungsgerichtshof im Anschluss an Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sowohl ein striktes Rauchverbot in Gaststätten und anderen öffentlich zugänglichen Räumen als verfassungsgemäß angesehen als auch ein Konzept mit Ausnahmen vom Rauchverbot, sofern dieses weniger intensive Schutzkonzept folgerichtig umgesetzt wird.

19. Verwaltungsverfahren

Popularklagen gegen die befristete Abschaffung des Widerspruchsverfahrens im Bezirk Mittelfranken wurden am 15. November 2006 (VerfGHE 59, 219) abgewiesen. Die Entscheidung enthält grundsätzliche Erwägungen zur Zulässigkeit von Erprobungsgesetzen mit Experimentiercharakter. Auch die endgültige teilweise Abschaffung und im Übrigen fakultative Ausgestaltung des Widerspruchsverfahrens in Bayern verstößt nicht gegen die Bayerische Verfassung (Entscheidung vom 23.10.2008 VerfGHE 61, 248).

20. Mieterschutz

Am 4. April 2017 (VerfGHE 70, 51) traf der Verfassungsgerichtshof eine Entscheidung im Zusammenhang mit der sog. „Mietpreisbremse“. In dem Popularklageverfahren ging es um die Frage, ob die Festlegung der Gebiete durch die Bayerische Staatsregierung, in denen wegen des angespannten Wohnungsmarkts die Miete zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um 10 % übersteigen darf, mangels ausreichender Begründung verfassungswidrig ist. Zwar hielt der Verfassungsgerichtshof die Begründung der Mieterschutzverordnung für nicht ausreichend. Verstöße gegen bundesrechtliche Verfahrensvorschriften im Rahmen der Prüfung anhand des Rechtsstaatsprinzips seien jedoch nur dann von Bedeutung, wenn die verfahrensrechtlichen Vorgaben zur Sicherung materieller verfassungsrechtlicher Rechtspositionen unabdingbar seien, weil ein nachträglicher verfassungsgerichtlicher Schutz nicht hinreichend gewährt werden könne. Das war im konkreten Fall nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs nicht der Fall. Da der Verfassungsgerichtshof auch sonst keinen Verstoß der Mieterschutzverordnung gegen die Bayerische Verfassung feststellen konnte, wies er die Popularklage ab.

21. Ausländerrecht

Am 3. Dezember 2019 erklärte der Verfassungsgerichtshof einzelne Vorschriften des Bayerischen Integrationsgesetzes für verfassungswidrig (BayVBl 2020, 226). Zugrunde lagen sogenannte Meinungsverschiedenheiten (Art. 75 Abs. 3 BV) zwischen der BayernSPD-Landtagsfraktion bzw. der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag einerseits und der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag sowie der Bayerischen Staatsregierung andererseits. Der Verfassungsgerichtshof sah in der gesetzlichen Verpflichtung, die in der Präambel des Bayerischen Integrationsgesetzes definierte „Leitkultur“ in Rundfunk- und Telemedienangeboten zu vermitteln, einen Verstoß gegen die Rundfunkfreiheit und das Recht der freien Meinungsäußerung. Auch die im Gesetz vorgesehene Befugnis der Sicherheitsbehörden, Personen allein aufgrund einer bestimmten Einstellung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu einem Grundkurs über deren Werte zu verpflichten, stelle einen unzulässigen Eingriff in die Meinungsfreiheit dar. Weiter war der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, dass die Bußgeldsanktion bei Aktivitäten, die auf eine Ersetzung der bestehenden verfassungsmäßigen Ordnung durch eine andere Rechtsordnung abzielen, gegen die abschließende bundesgesetzliche Regelung des strafrechtlichen Staatsschutzes verstoße. Dagegen beanstandete der Verfassungsgerichtshof nicht die weiteren von den antragstellenden Fraktionen angegriffenen Vorschriften. Dazu gehörten insbesondere die Bestimmungen über die mit dem Gesetz verfolgten Integrationsziele, über die allgemeinen Grundsätze der Integrationsförderung, über die Kostenerstattung und Dolmetscherhaftung bei Übersetzungen im Verwaltungsverfahren, über die Bildungsinhalte in Kindertagesstätten und über das Betretungsrecht der Polizei bei Asylunterkünften.

22. Polizei- und Sicherheitsrecht

a) In einer Entscheidung vom 28. August 2020 (BayVBl 2020, 803) befasste sich der Verfassungsgerichtshof mit der Wiedererrichtung der Bayerischen Grenzpolizei. Im Juli 2018 hatte der Bayerische Landtag auf Initiative der Bayerischen Staatsregierung das Gesetz zur Errichtung der Bayerischen Grenzpolizei verabschiedet. Dass mit dem Gesetz die Bayerische Grenzpolizei als solche wiederrichtet wurde (Art. 5 POG), sah der Verfassungsgerichtshof als verfassungskonform an. Zwar habe der Bundesgesetzgeber im Bundespolizeigesetz von der im Grundgesetz vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, Bundesgrenzschutzbehörden einzurichten. Die Aufgabe des grenzpolizeilichen Fahndungsdienstes (die sog. Schleierfahndung) sei aber unbestritten eine Aufgabe des Landes, weshalb es keinen verfas-sungsrechtlichen Zweifeln unterliege, dass der Freistaat Bayern zur Erfüllung dieser Aufgabe eine Bayerische Grenzpolizei als Teil der Landespolizei errichten könne. Einen landesverfassungsrechtswidrigen Verstoß gegen die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes erkannte der Verfassungsgerichtshof aber darin, dass der Bayerischen Grenzpolizei durch Art. 29 PAG materielle Befugnisse für die Wahrnehmung grenzpolizeilicher Aufgaben zugewiesen werden sollten. Insoweit erklärte der Verfassungsgerichtshof das Gesetz für nichtig.

b) Mit Entscheidung vom 17. Mai 2022 (BayVBl 2022, 702) wies der Verfassungsgerichtshof in einem Popularklageverfahren den Antrag auf Feststellung der Verfassungswid-rigkeit der Regelungen zur sog. Zuverlässigkeitsüberprüfung von Personen in Art. 60 a des Polizeiaufgabengesetzes ab. Der Verfassungsgerichtshof kam zu dem Er-gebnis, dass die am 1. August 2021 in Kraft getretenen Bestimmungen weder das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzen noch gegen die Berufs-freiheit oder die Pressefreiheit verstoßen. Durch die gesetzliche Regelung sei si-chergestellt, dass regelmäßig nur solche Personen polizeilich überprüft werden, deren spezifische Tätigkeit im Rahmen des mit einem erheblichen Sicherheitsrisiko verbundenen Anlasses, z. B. bei Großveranstaltungen, Grund für die Überprüfung bietet. Der Verfassungsgerichtshof wies insbesondere darauf hin, dass eine Zuver-lässigkeitsüberprüfung von Journalistinnen und Journalisten mit besonderer Zu-gangsberechtigung nicht typischerweise, sondern nur bei insoweit im Einzelfall be-stehenden beachtlichen Sicherheitsrisiken in Betracht komme. Auch Personen, die an öffentlichen Versammlungen teilnehmen, würden von Art. 60 a PAG typischer-weise nicht erfasst.

c) Am 14. Juni 2023 (Vf. 15-VII-18) erging eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs in einem Popularklageverfahren, in dem eine Vielzahl von Regelungen des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) angegriffen war. Bei zahlreichen angegriffenen Normen kam es nicht zu einer Überprüfung in der Sache. Dies beruhte teils darauf, dass die Bestimmungen mittlerweile geändert und das Verfahren insoweit für erledigt erklärt worden war und eine Fortführung des Verfahrens nicht im öffentlichen Interesse lag; teils war die Popularklage bereits unzulässig, weil eine Grundrechtsverletzung nicht ausreichend dargelegt war. Eine Sachentscheidung erging jedoch insbesondere zur geltenden Regelung zur höchstzulässigen Dauer des po-lizeilichen Präventivgewahrsams gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 2 PAG (von jeweils nicht mehr als einem Monat mit Verlängerungsmöglichkeit bis zu insgesamt höchstens zwei Monaten). Der Verfassungsgerichtshof hat diese Vorschrift in der Sache geprüft und sie für mit der Bayerischen Verfassung vereinbar erachtet. Sie genügt insbesondere dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und verstößt nicht gegen das Grundrecht der Freiheit der Person (Art. 102 Abs. 1 BV).


23. Gesundheitsschutz

1. Am 23. November 2020 (Vf. 59-VII-20) entschied der Verfassungsgerichtshof über die sogenannte „Einreise-Quarantäneverordnung“ in der vom 10. April bis 15. Mai 2020 geltenden Fassung. Anlässlich der Corona-Pandemie hatte der Verordnungsgeber Personen, die auf dem Land-, See-, oder Luftweg aus einem Staat außerhalb der Bundesrepublik Deutschland in den Freistaat Bayern einreisten, verpflichtet, sich unverzüglich nach der Einreise auf direktem Weg in die eigene Wohnung oder eine andere geeignete Unterkunft zu begeben und sich für einen Zeitraum von 14 Tagen nach ihrer Einreise ständig dort abzusondern. In der Hauptsacheentscheidung stellte der Verfassungsgerichtshof fest, dass diese Regelung für Ein- und Rückreisende mit der Bayerischen Verfassung vereinbar waren. Weder verstießen sie wegen einer offensichtlichen und gravierenden Abweichung von den Vorgaben der bundesrechtlichen Ermächtigung im Infektionsschutzgesetz gegen das Rechtsstaatsprinzip der Bayerischen Verfassung (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV), noch wurden dadurch Grundrechte der Bayerischen Verfassung, wie insbesondere das Recht auf Freizügigkeit (Art. 109 Abs. 1 BV), in unzulässiger Weise eingeschränkt. Der Normgeber durfte dem Schutz von Leben und Gesundheit höheres Gewicht einräumen als den durch die Pflicht zur Absonderung hervorgerufenen Beeinträchtigungen.

2. Am 9. Februar 2021 (Vf. 6-VII-20) wies der Verfassungsgerichtshof eine Popularklage gegen die Bayerische Verordnung über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie vom 24. März 2020 ab. Die angegriffene Verordnung verbot in der vom 21. bis 31. März 2020 gelten-den Fassung das Verlassen der eigenen Wohnung ohne Vorliegen triftiger Gründe (wie insbesondere berufliche Tätigkeiten, Arztbesuche, Einkäufe für den täglichen Bedarf, Besuche bei Lebenspartnern, Alten und Kranken, die Begleitung unterstützungsbedürftiger Personen und Minderjähriger, die Begleitung von Sterbenden sowie Beerdigungen, Sport und Bewegung an der frischen Luft und die Versorgung von Tieren). Der Verfassungsgerichtshof sah in den angegriffenen Vorschriften keinen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip; weder waren die Regelungen offensichtlich und gravierend von der bundesrechtlichen Ermächtigung im damals geltenden Bundesinfektionsschutzgesetz nicht gedeckt, noch waren sie zu unbestimmt. Auch eine Verletzung von Grundrechten der Bayerischen Verfassung stellte der Verfassungsgerichtshof nicht fest. Bezüglich des Grundrechts auf Freiheit der Person (Art. 102 Abs. 1 BV) fehlte schon ein Eingriff in den Schutzbereich. Der Eingriff in Art. 109 Abs. 1 BV (Freizügigkeit) und weitere Grundrechte war durch das legitime Ziel des Normgebers, Ansteckungen mit dem Virus SARS-CoV-2 zu vermeiden und dadurch Leben und Gesundheit zu schützen sowie eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden, gerechtfertigt.

24. Sonstige Verfahren

Rein zahlenmäßig betrachtet lag das Schwergewicht der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs in den vergangenen Jahren auf (Verfassungsbeschwerde-) Verfahren, die keinem der bereits angesprochenen Spezialgebiete zuzurechnen sind. 

Die meisten Verfassungsbeschwerden richteten sich gegen zivilgerichtliche Entscheidungen. Der Grund hierfür ist darin zu finden, dass es weit mehr zivilrechtliche Streitigkeiten gibt als z. B. strafgerichtliche Verurteilungen oder verwaltungsgerichtliche Verfahren. Die durchschnittlichen Verfassungsbeschwerdeverfahren sind für die Öffentlichkeit kaum von besonderem Interesse. Es geht dabei z. B. um den Verlauf von Grundstücksgrenzen, das Bestehen von Wegerechten, das Schneiden einer Hecke an der Grundstücksgrenze zum Nachbarn, den Laubfall auf das Nachbargrundstück, die Beseitigung von Schwarzbauten, um Schadensersatzansprüche aus Verkehrsunfällen, um Kfz-Stellplätze, die Rückzahlung von Darlehen und Ähnliches mehr. 

Im Einzelfall kann aber auch ein Verfassungsbeschwerdeverfahren über die unmittelbar daran Beteiligten hinaus von Bedeutung sein. Ein Beispiel hierfür ist die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zur Salvator-Kirche in München (Entscheidung vom 29.8.1996 VerfGHE 49, 126). Die Kirche war durch Ludwig I. einer griechisch-orthodoxen Privatkirchengesellschaft zur Nutzung überlassen worden. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte der Klage des Freistaates Bayern als Eigentümer auf Herausgabe stattgegeben. Die Verfassungsbeschwerde der privaten Kirchengemeinde gegen diese Entscheidung wurde abgewiesen. Der Verfassungsgerichtshof hat u. a. eine Verletzung der Kirchengutsgarantie (Art. 146 BV) verneint, zumal die Kirche der Metropolie als Körperschaft des öffentlichen Rechts überlassen werden sollte und dadurch weiter für den griechisch-orthodoxen Kultus zur Verfügung steht. 

Auf öffentliches Interesse ist auch die von der Landeshauptstadt München beschlossene Umbenennung der Meiserstraße in Katharina-von-Bora-Straße gestoßen. Nachdem ein Enkel des ursprünglichen Namensgebers und früheren Landesbischofs vor den Verwaltungsgerichten erfolglos gegen die Straßenumbenennung geklagt hatte, verfolgte er sein Anliegen mit der Verfassungsbeschwerde weiter. Der Verfassungsgerichtshof wies die Verfassungsbeschwerde in seiner Entscheidung vom 25. September 2012 (VerfGHE 65, 170) ab.