Pressemitteilung 57 vom 12.08.2025
Landgericht München II Urteil im Strafverfahren gegen Jessica K. (36 Jahre) und Siegfried H. (63 Jahre) wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung und des Betrugs („FlexiCamper“)
Die 10. Große Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München II unter Vorsitz von Martin Meixner hat heute nach 7-tägiger Hauptverhandlung die Angeklagten wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung, des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs mit Kreditbetrug in 5 Fällen, des Betrugs in 13 Fällen, davon in einem Fall in mittelbarer Täterschaft in 54 tateinheitlichen Fällen und der veruntreuenden Unterschlagung in 3 Fällen, den Angeklagten H. zusätzlich wegen Untreue in 2 Fällen, davon in einem Fall mit Bankrott schuldig gesprochen und den Angeklagten H. deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren, die Angeklagte K. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt.
Dem Urteil lag eine Verständigung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zugrunde. Die Angeklagten haben sich hinsichtlich der abgeurteilten Taten zuletzt voll geständig gezeigt. Einige anklagegegenständliche Punkte wurden eingestellt.
Nach den Feststellungen der Strafkammer war die Firma FlexiCamper aus Rosenheim, die mit Wohnmobilen Handel trieb, seit 30.11.2022 insolvent, gleichwohl wurde ein Eigeninsolvenzantrag erst im Mai 2023 gestellt. Trotz wirtschaftlicher Schieflage haben die Angeklagten verschiedene betrügerische Darlehensaufnahmen mit oder ohne Fahrzeugfinanzierungen bei 5 verschiedenen Banken erschlichen. Dabei täuschten die Angeklagten die Banken bei den Kreditverhandlungen unter Mitwirkung ihres Buchhalters mit manipulierten Geschäftsunterlagen, die ein florierendes Unternehmen suggerierten. Hieraus entstand den Banken ein Schaden von rund 1,6 Mio. Euro.
Die Angeklagten betrogen nach den Feststellungen der Kammer aber auch ihre Kunden, indem sie diesen – in einem Fall der Angeklagte H. persönlich, in 54 Fällen durch selbst ahnungslose Verkäufer – eine Leistungsfähigkeit des Unternehmens in Bezug auf die bestellten und anbezahlten Wohnmobile vortäuschten, die tatsächlich nicht bestand. Sämtliche zur Aburteilung gelangte Betrugstaten im Zusammenhang mit Fahrzeugverkäufen erfolgten nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, also nach dem 30.11.2022. Einen weiteren Betrugsschaden verursachten die Angeklagten, indem sie durch unzutreffende Bereitstellungsanzeigen 11 Kunden zur Restzahlung des Kaufpreises veranlassten, obwohl tatsächlich kein Wohnmobil zur Abholung bereitstand. Bei den Kunden entstand ein Gesamtschaden von über 2 Mio. Euro. In weiteren 3 Fällen trat ein Schaden – insgesamt etwa 110.000 Euro – bei den den Kaufpreis finanzierenden Unternehmen ein, denen die Fahrzeuge sicherungsübereignet waren, was rechtlich als veruntreuende Unterschlagung einzuordnen war.
Der Angeklagte H. hatte nach Feststellungen der Kammer zusätzlich zweckwidrige Entnahmen aus dem Firmengeflecht von rund 0,5 Mio. Euro zu verantworten. Davon tätigte er Ausgaben der privaten Lebensführung und zahlte eine von der Staatsanwaltschaft Hamburg im Rahmen einer Einstellung geforderte Geldauflage gem. § 153a StPO.
Insgesamt wurde durch die Angeklagten ein Gesamtschaden von rund 4 Mio. Euro verursacht.
Die Kammer konnte – mit Ausnahme der von H. privat verwendeten 0,5 Mio Euro – nicht aufklären, wohin das Geld verschwunden ist. Es hätten sich keine Anhaltspunkte für ein „Beiseiteschaffen“ ergeben. Letztlich sind die Gelder in dem Geschäftsbetrieb verbrannt worden, der auf einem nicht ertragreichen Geschäftsmodell und chaotischer Buchhaltung beruhte. Die Angeklagten hätten eine bemerkenswerte unternehmerische Inkompetenz gezeigt und verwegene unternehmerische Entscheidungen getroffen. Das eingegangene unternehmerische Risiko habe an Größenwahn gegrenzt. Bei einem Umsatz von 6 Mio. Euro sei ein Verlust von 3 Mio. Euro erzeugt worden.
Die Angeklagten – K. als Geschäftsführerin und Gesellschafterin, H. als faktischer Geschäftsführer – hätten als Mittäter gehandelt, denn die gemeinsam begangenen Taten beruhten auf einem gemeinsamen Tatplan, die jeweiligen Tatbeiträge waren wechselseitig zuzurechnen.
Die Kammer hat sich ihre Überzeugung aus den zahlreichen im Selbstleseverfahren eingeführten Unterlagen, darunter den Aussagen der geprellten Kunden und Sachverständigengutachten, sowie aus der Einvernahme verschiedener Zeugen, insbesondere des Insolvenzverwalters, verschiedener Bankangestellter und Mitarbeiter, gebildet.
Zugunsten hat die Kammer ganz maßgeblich die vollumfänglichen Geständnisse gewürdigt, das im Fall des Angeklagten H. auch frühzeitig erfolgt sei, sowie den Umstand, dass beide Angeklagten nicht vorbestraft gewesen seien und sich letztlich kooperativ verhalten und damit eine zügige Aufklärung des Sachverhalts möglich gemacht haben. Die Kammer hielt ihnen auch zugute, dass das Unternehmen nicht von Anfang an auf Betrug angelegt gewesen sei, vielmehr schlechtes Wirtschaften, kein tragfähiges Geschäftsmodell und eine chaotische Buchhaltung Auslöser der Taten gewesen seien. Die Angeklagten hätten durch ihre Geschäftstätigkeit auch eigenes Vermögen verloren und hohe persönliche Verbindlichkeiten aufgebaut. Sie haben zuletzt Einsicht und Reue gezeigt.
Zu Lasten der Angeklagten hat die Kammer insbesondere die Tatfolgen berücksichtigt, namentlich der verursachte Schaden, der in Einzelfällen bei den Kunden auch zu besonderen Härten geführt habe. Zudem hätten die Angeklagten ihre Tatpläne mit besonderer Hartnäckigkeit und über einen längeren Zeitraum verfolgt und dabei mit viel Aufwand eine Täuschungskulisse aufgebaut. Sie gingen mit besonderer Rücksichtslosigkeit vor und täuschten Geschäftspartner in jeglicher Richtung - Kunden, Banken und Leasingfinanzierer.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.
Die Strafkammer hat die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet.
Bettina Kaestner
Richterin am Oberlandesgericht
Justizpressestelle bei dem
Oberlandesgericht München