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Oberlandesgericht München

Oberlandesgericht München

Pressemitteilung 84 vom 11.11.2025

Strafverfahren gegen Amer Tarak A., Basel O., Sohail A. wegen des Verdachts der Kriegsverbrechens der Vertreibung, Plünderung und Zerstörung, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland

Der 7. Strafsenat des Oberlandesgerichts München (Staatsschutzsenat) hat die drei Angeklagten heute nach einer 86tägigen Hauptverhandlung wegen Mitgliedschaft bzw. Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland sowie zwei der Angeklagten wegen Kriegsverbrechen zu Freiheitsstrafen von 4 Jahren 6 Monaten (Basel O.), 7 Jahren (Sohail A.) und 9 Jahren 10 Monaten (Amer Tarak A.) verurteilt.

Der Vorsitzende Richter Michael Höhne ordnete die Taten der Angeklagten zunächst in den historischen Kontext der Revolution gegen das syrische Regime von Bashar Al Assad in den 2010er Jahren ein. Das Gericht hatte sich zu diesem Hintergrund von gleich zwei Sachverständigen beraten lassen.

Die drei Angeklagten seien Mitglieder der Liwa Jund al-Rahman, einer zunächst eigenständigen bewaffneten Rebellengruppe, die sich im Jahr 2014 in den IS eingegliedert habe, gewesen. Schon ab Sommer 2013 habe die zunächst noch säkulare Vereinigung islamistische Züge angenommen. Der Angeklagte Amer A. habe die Vereinigung gegründet und sei der alleinige Anführer der Vereinigung gewesen. Er habe die wesentlichen militärischen Entscheidungen allein getragen und habe auch die ideologische Ausrichtung bestimmt. Ziel der Vereinigung sei die Bekämpfung der regulären syrischen Armee gewesen. Die Liwa Jund al-Rahman habe einen eigenen YouTube-Kanal und einen Twitter-Account betrieben, um dort propagandistische Inhalte zu verbreiten. Die Sprache der Mitglieder sei zunehmend islamistisch und dschihadistisch geworden. Die Einlassung von zwei der Angeklagten, die Gruppe hätte keine religiöse Ideologie verfolgt, sei durch diverse Videos und die Ausführungen eines Sachverständigen widerlegt. Zum IS hielt der Vorsitzende fest, dass es sich dabei um eine der gefährlichsten Terrororganisationen der Welt handelt. Der Angeklagte Amer A. habe sich und die Liwa Jund al-Rahman dem IS mit einer entsprechenden Erklärung unterworfen.

Anfang 2013 habe der Angeklagte die Kontrolle über ein Ölfeld in der Provinz Deir ez-Zor übernommen und mit der Liwa Jund al-Rahman bewacht. Der Angeklagte habe einen großen Teil der Einkünfte aus dem Ölfeld für die Vereinigung, aber auch sich selbst und seine Familie verwendet.

Der Angeklagte Amer A. habe die Liwa Jund al-Rahman zudem angewiesen, sich an einem Überfall auf Schiiten in der Ortschaft Hatlah zu beteiligen. Diese Aktion wurde auf Anweisung des Angeklagten Amer A. gegenüber dem Angeklagten Sohail A. von diesem gefilmt. Der Angeklagte Sohail A. habe das Medienbüro der Vereinigung geleitet. Er habe Kampfeinsätze begleitet, gefilmt und habe Videos geschnitten, mit dem Logo der Vereinigung versehen und anschließend auf den YouTube-Kanal der Liwa Jund al-Rahman hochgeladen. Nach Eingliederung der Vereinigung in den IS habe Sohail A. weiterhin propagandistische Arbeit – nunmehr für den IS – geleistet. Hiermit sollten weitere Kämpfer zum Beitritt motiviert werden. Im Rahmen einer polizeilichen Vernehmung hatte der Angeklagte Sohail A. den Kriminalbeamten wörtlich gefragt „Wer hat denn in Syrien keine Menschenrechtsverbrechen begangen?“.

Der Angeklagte O. habe sich im Rahmen des syrischen Bürgerkriegs radikalisiert und habe sich ab September 2013 für eine lokale Kampfgruppierung betätigt. Im Laufe des Jahres 2013 trat er der Liwa Jund al-Rahman des Angeklagten Amer A. bei und führte dort eine Mörser-Kompanie an. Auch der Angeklagte O. schloss sich später dem IS an und wirkte in einem Propagandavideo der IS-eigenen Medienagentur mit.

Soweit die Angeklagten meinten, sie hätten sich in einem berechtigten Freiheitskampf befunden, wies das Gericht darauf hin, dass die Verletzungen des humanitären Völkerrechts durch das Assad-Regime die Taten der Angeklagten nicht rechtfertigen würden. Es gebe für nationale Befreiungsbewegungen kein Recht auf bewaffneten Widerstand gegen die regulären Truppen.

Bei der Strafzumessung bewertete der Senat bei allen drei Angeklagten zu ihren Gunsten, dass eine vergleichsweise lange Zeit zwischen Tatbegehung und ihrer nunmehrigen Aburteilung vergangen sei. Zudem konnte zu ihren Gunsten berücksichtigt werden, dass sie ein Unrechtsregime bekämpft hätten. Zugleich hielt Höhne aber fest, dass es sich bei dem IS um eine besonders brutale terroristische Vereinigung handele.

Alle drei Angeklagten waren nach der militärischen Niederlage des IS nach Deutschland geflohen.

Abschließend hielt der Vorsitzende fest: „Freiheitskampf findet nicht im rechtsfreien Raum statt. Die Grenze zur Strafbarkeit ist jedenfalls dann überschritten, wenn unbeteiligte Dritte getötet oder Kriegsverbrechen begangen werden. Das war hier klar der Fall.“

Höhne zitierte zuletzt den Angeklagten Amer A, der selbst gesagt hatte: „Wir wussten, dass unser Weg nicht auf Blumen gebettet ist und viele Opfer fordern würde“. Allen Beteiligten sei klar gewesen, dass es zahlreiche Opfer auf beiden Seiten geben würde.

Der Senat ordnete zuletzt die Fortdauer der Untersuchungshaft an.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und dem Generalbundesanwalt steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.

 

Dr. Laurent Lafleur
Leiter der Pressestelle für Strafsachen
Richter am Oberlandesgericht