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Oberlandesgericht München

Oberlandesgericht München

Pressemitteilung 52 vom 04.08.2025

Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung

Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts München hat mit Beschluss vom 31.07.2025 einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Generalstaatsanwalts in München vom 24.03.2025 als unzulässig verworfen.

Dem Antrag liegt die Tötung der Tochter der Antragsteller auf einer Station eines Bezirkskrankenhauses durch den später deswegen verurteilten und nunmehr auf strafrechtlicher Grundlage (§ 63 StGB) in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachten Beschuldigten Jayson L. zugrunde.

Die Getötete war zum Tatzeitpunkt am 31.05.2022 im IAK München-Ost auf richterliche Anordnung dort untergebracht. Der Verurteilte war durch die Landeshauptstadt München aufgrund von Selbst- und Fremdgefährdung in das IAK München-Ost eingewiesen worden, und wurde auf der gleichen Station untergebracht. Zu Details dieser Tat darf ich auf unsere damalige Pressemitteilung verweisen (Pressemitteilung 46/2023).

Die Staatsanwaltschaft hat neben dem Verfahren gegen den nunmehr rechtskräftig Verurteilten Jayson L. auch ein Verfahren gegen Unbekannt wegen des Tatvorwurfs der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen geführt. Im Rahmen dieser Ermittlungen wurde eine Stellungnahme eines psychiatrischen Sachverständigen zur Frage möglicher ärztlicher Behandlungsfehler eingeholt. Diese Stellungnahme wurde mehrfach -  auch unter Berücksichtigung eines von den Angehörigen der Getöteten eingeholten Gutachtens - ergänzt und präzisiert. Zudem wurde eine Vielzahl von im Ausgangsverfahren erhobener Zeugenaussagen ausgewertet. Nach Abschluss der Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft kein strafrechtlich relevantes Handeln im Zusammenhang mit dem Tod auf Seiten der Mitarbeiter des Klinikums identifizieren können. Im Ergebnis hat die Staatsanwaltschaft keinen hinreichenden Tatverdacht für die Erhebung der öffentlichen Klage gesehen und das Verfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Gegen diese Einstellung haben die Angehörigen zunächst Beschwerde eingelegt und gegen den insoweit ablehnenden Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung an das Oberlandesgericht gestellt.

Das Oberlandesgericht hat den Antrag nunmehr als unzulässig verworfen.

Der Antrag ist allein darauf gerichtet, die Aufnahme weiterer Ermittlungen anzuordnen. Dies ist aber grundsätzlich kein zulässiges Ziel eines Klageerzwingungsantrags, da ein Klageerzwingungsverfahren in der Regel  nur mit der Anordnung abgeschlossen werden kann, öffentliche Klage zu erheben (§ 175 StPO). Dies setzt voraus, dass sich ein konkreter Tatverdacht gegen eine bestimmte Person richtet. Dagegen hat das Oberlandesgericht grundsätzlich keine Kompetenz, ein Klageerzwingungsverfahren mit der Anordnung abzuschließen, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufzunehmen habe.

Auch unabhängig von dieser Einordnung sei der Antrag unzulässig: Die Antragsschrift genüge den inhaltlichen Anforderungen des Gesetzes nicht. Es fehle insbesondere an der Darstellung eines konkreten Sachverhalts, der ein strafbares Handeln von Ärzten und Klinikmitarbeitern erkennen ließe. Soweit fehlende Ermittlungen der Staatsanwaltschaft moniert würden, werde nicht dargelegt, inwieweit diese für die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Mitarbeitern der Klinik relevant seien. Zuletzt lasse die Antragsschrift auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Bescheiden der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft und mit den vorliegenden Zeugenaussagen vermissen. Die Zeugen hatten einen zunächst erregten und aggressiven Beschuldigten beschrieben, der aber am 30.05.2022 abends und am Tattag in der Früh vor der Tat als deutlich ruhiger geschildert wurde. Im Klageerzwingungsantrag hätte daher dargelegt werden müssen, warum das Handeln der Ärzte trotz des Gebots der freien Gestaltung der Unterbringung und der besonderen verfassungsrechtlichen Hürden für eine Zwangsmedikation, eine Fixierung oder anderer, den Betroffenen weitergehend in seinen Freiheitsrechten einschränkenden Maßnahmen, sorgfaltspflichtwidrig gewesen sei. Zudem hätte dargestellt werden müssen, welcher einschränkenden Maßnahmen es bedurft hätte und welcher der angezeigten Ärzte hierfür welche gebotene Anordnung unterlassen hat. Auch dies war aber nicht Inhalt des Antrags.

Der Staatsanwaltschaft kommt im Ermittlungsverfahren eine besondere Stellung zu. Als Herrin des Ermittlungsverfahrens, die dem Legalitätsprinzip unterworfen ist, fällt ihr das Anklagemonopol zu. Das Klageerzwingungsverfahren dient der Sicherung und Durchsetzung des Legalitätsprinzips und der Kontrolle der Ausübung des Anklagemonopols der Staatsanwaltschaft. Das Oberlandesgericht kann dagegen nicht - wie etwa ein Dienstvorgesetzter - außerhalb des Klageerzwingungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Weisungen erteilen. Daher ist das Oberlandesgericht nicht befugt, Ermittlungen aufzugeben, die ggf. zur Ermittlung anderer oder weiterer Tatverdächtiger - z.B. auch im Rahmen eines Organisationsverschuldens - führen würde. Das Oberlandesgericht ist bei der Unzulässigkeit des Klageerzwingungsantrags - wie bei jedem unzulässigen Rechtsbehelf - nicht berufen, in der Sache zu entscheiden, d.h. die Ermittlungsergebnisse zu beurteilen oder ggf. unterbliebene Ermittlungen festzustellen.

 

Dr. Laurent Lafleur
Leiter der Pressestelle für Strafsachen
Richter am Oberlandesgericht