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Oberlandesgericht München

Oberlandesgericht München

Pressemitteilung 49 vom 30.07.2025

Strafverfahren gegen Eduard L. wegen des Verdachts der Bestechung von Mandatsträgern

Der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München hat heute den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Eduard L. wegen Bestechung von Mandatsträgern zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Zugleich wurde gegen den Erben der verstorbenen Bundestagsabgeordneten Karin S. die Einziehung von 111.330 € angeordnet.

Das Gericht sah die Anklage durch die Hauptverhandlung weitgehend bestätigt. Der Angeklagte – ein langjähriger Bundestagsabgeordneter – habe im September 2014 mit der verstorbenen Bundestagsabgeordneten Karin S. und Vertretern Aserbaidschans eine zeitlich unbegrenzte Unrechtsabrede getroffen, nach der Karin S. in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und im Bundestag gemäß den Vorgaben Aserbeidschans tätig wird und als Gegenleistung monatliche Geldzahlungen von rund 7.500 € erhalten sollte. Die Zahlungen sollten über die von dem Angeklagten zu diesem Zweck gegründete Line M-Trade UG erfolgen, mit der Karin S. zum Schein einen Beratervertrag abschloss. Im Dezember 2014 und Januar 2015 wurden insgesamt 22.500 € an die damalige Bundestagsabgeordnete Karin S. überwiesen. Die Gelder für diese Zahlungen wurden der Line M-Trade von Aserbeidschan zur Verfügung gestellt. Aufgrund der Zahlungen setzte sich Karin S. in der PACE für die Interessen Aserbaidschans ein und ließ sich für den sog. Monitoring Ausschuss aufstellen und wählen, wo sie dann – ebenso wie in der Parlamentarischen Versammlung – in Redebeiträgen für Aserbaidschan Stellung bezog und mehrfach zugunsten Aserbaidschans abstimmte. Der Angeklagte habe diese Vereinbarung vorbereitet und habe Einfluss auf den Inhalt der Vereinbarung gehabt. Er habe dabei – so der Vorsitzende Richter Jochen Bösl – die Hauptrolle gespielt und auch ein erhebliches eigenes Interesse am Zustandekommen der Vereinbarung gehabt, da er die finanziell lukrativen geschäftlichen Beziehungen zu Aserbeidschan, für das er seit 2008 über verschiedene Gesellschaften Lobby-Arbeit betrieb, auch nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag und der Parlamentarischen Versammlung des Europarats habe weiterführen wollen.

Von März 2015 bis Juni 2017 erhielt Karin S. insgesamt 88.830 € in bar von Vertretern Aserbaidschans als weitere Gegenleistung für ihre Tätigkeit im Bundestag und in der PACE.

Der Angeklagte hatte den Sachverhalt in objektiver und subjektiver Hinsicht eingeräumt („so war’s“). Diese Einlassung des Angeklagten sei durch die ausführliche Beweisaufnahme im Rahmen der 22tägigen Hauptverhandlung bestätigt worden. Eine besondere Rolle haben dabei etwa ausgewertete Chatprotokolle gespielt, aus denen etwa eine Nachricht von Karin S. an eine Sekretärin hervorging, in der von Karin S. ein bestimmtes Abstimmungsverhalten zugesichert und die mit Euro-Zeichen abgeschlossen wurde.

Das Gericht wertete die getroffene Vereinbarung als Versprechen eines ungerechtfertigten Vorteils an eine Mandatsträgerin, strafbar als Bestechung von Mandatsträgern nach § 108e StGB.

Bei der Strafzumessung berücksichtigte der Senat den Umstand, dass der Angeklagte ein Geständnis abgelegt hatte. „Ein Geständnis ist ein Geständnis“ äußerte der Vorsitzende Richter, machte aber zugleich deutlich, dass der Angeklagte weder Schuldeinsicht noch Reue gezeigt habe, sondern sein strafbares Verhalten als „ganz normalen Lobbyismus“ abgetan habe. Diese Einordnung wies das Gericht in aller Deutlichkeit zurück. „Das war ein Fall des klassischen Stimmenkaufs. Der Bundestagsabgeordneten Karin S. ist Geld dafür versprochen worden, dass sie ihr Abstimmungsverhalten nach den Interessen des Geldgebers ausrichtet. Hier hat sich eine Bundestagsabgeordnete kaufen lassen. Sie hat Geld dafür gekriegt, dass sie im Sinne Aserbaidschans abstimmt.“ Zugunsten des Angeklagten wertete das Gericht ferner, dass er bislang strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten sei und ihn das Verfahren aufgrund der Dauer, aber vor allem aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustandes erheblich belastet habe, und die Tat sehr lange zurückliege. Anders als die Verteidigung berücksichtigte das Gericht die Berichterstattung über den Angeklagten und das Verfahren nicht als strafmildernd. Die Berichterstattung habe sich der Angeklagte vielmehr selbst zuzuschreiben. Die tat- und schuldangemessene Freiheitstrafe von 9 Monaten habe zur Bewährung ausgesetzt werden können, da von dem Angeklagten, der Ersttäter sei, keine weiteren Straftaten zu erwarten seien. Die Bewährungszeit wurde auf 2 Jahre bestimmt, dem Angeklagten wurde zudem auferlegt, insgesamt 10.000 € an die Stiftung Opferhilfe zu zahlen.

Daneben ordnete das Gericht gegen den Erben der damaligen Bundestagsabgeordneten Karin S. die Einziehung von 111.330 € an. Dies entsprach der Gesamtsumme, die Karin S. aus aserbaidschanischen Quellen für ihr Abstimmungsverhalten erhalten hatte.

Die Entscheidung ist die erste Verurteilung wegen der Bestechung eines Bundestagsabgeordneten nach § 108e StGB.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Generalstaatsanwaltschaft München steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.

 

Dr. Laurent Lafleur
Leiter der Pressestelle für Strafsachen
Richter am Oberlandesgericht